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Der Berg ruft, wer spürt dies nicht an einem lauen Montagabend in der fast menschenleeren Stadt. Denn Berg bedeutet Schicksal, Plage, Kampf ums Überleben. Natürlich, Berg erweckt auch Gedanken an Alm, Sündenfreiheit (allerdings nicht im St. Pöltner Sinn) und "Anton aus Tirol". Also Freud & Leid, Pech & Glück - sowie ORF & Pro- Sieben.
Die beiden Sender wissen um die Faszination der Natur und haben die Zuseher der Jahreszeit entsprechend mit den Reality-Parodien "Expedition Österreich" und "Die Alm" versorgt. Doch nicht nur bei jenen, deren Hang zum Voyeurismus zu schwach ausgeprägt ist, versagt die Zauberformel "life live".
Da nützt weder das fast schon panische Hin und Her zwischen Außenstation und Studio (ORF) noch die immerlustige Präsentation (ProSieben). Die Luft ist draußen, ganz gleich ob sich gescheiterte Prominente im Kuhstall verdingen oder hoffnungsfrohe Laien durch den Wald robben. Emotionen werden auch durch das mehrmalige Einblenden einer simplen Knieverstauchung, das Auspacken eines 20 Kilo schweren Rucksackes oder das Gespräch über die Befruchtung von Kühen nicht erweckt. Es ist vorbei, Flasche leer, wie Fußball-Philosoph Giovanni Trapattoni in seiner Zeit als Trainer bei Bayern München feststellte.
Taxi fahren, Österreich durchwandern oder eine Alm bewirtschaften - die Sender sind auf der verzweifelten Suche nach Zuseher anziehenden Container-Soaps. In Großbritannien lässt man bereits ganz die Hosen runter und siedelt "Big Brother" im Porno-Milieu an. Im deutschsprachigen Raum ist man züchtiger und begnügt sich damit, eine Ex-Porno-Darstellerin auf die Alm zu bringen und lässt über Stiere bzw. Liebeshoroskope plaudern. Reality-TV ist manchmal härter als das Leben.