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Im Clinch mit den Klima-Zielen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Wirtschaft klagt über zu ambitionierte EU-Vorgaben beim Umweltschutz.


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Brüssel. Die Daten waren schon besser. Noch vor einem Monat konnte das Statistikamt Eurostat für die Industrie erfreuliche Zahlen vermelden. Denn im November des Vorjahres war die Produktion in der Eurozone so deutlich gestiegen wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr. Doch schon einen Monat später sah es anders aus, wie die jüngste Veröffentlichung von Eurostat zeigt. Im Vergleich zum November stellten die Unternehmen im Dezember 0,7 Prozent weniger her. Die durchschnittliche Industrieproduktion für das Vorjahr verringerte sich gegenüber 2012 im Euroraum um 0,8 und in der gesamten EU um 0,5 Prozent.

Die Industrie ist denn auch ein Sorgenkind der Europäischen Union. Denn obwohl 80 Prozent der Innovationen, drei Viertel der Exporte und etliche Arbeitsplätze direkt von ihr abhängen, ist ihr Anteil am europäischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) mittlerweile auf 15 Prozent gesunken. In den vergangenen Jahren haben in diesem Sektor fast vier Millionen Menschen ihren Job verloren.

Diesen Trend würden die EU-Institutionen gern umkehren - oder zumindest stoppen. Die EU-Kommission ruft zu einer "industriellen Renaissance" auf, und auch das Parlament spricht sich für eine Strategie zur Förderung des verarbeitenden Gewerbes aus. Dessen BIP-Anteil sollte bis 2020 auf zwanzig Prozent steigen, wünschen sich beide Organe.

Dagegen haben die Mitgliedstaaten zwar nichts einzuwenden. Dennoch geben sie der Branche kaum das, was sich diese wünscht: mehr Verbindlichkeit. Es fehle an politischen Maßnahmen und deren Umsetzung, lautet die Kritik aus Wirtschaftskreisen. Eine breit angelegte Industriepolitik sei weiterhin nicht in Sicht.

Doch wollen die Staats- und Regierungschefs der EU zumindest darüber diskutieren: Das Thema steht auf der Agenda ihres Gipfeltreffens in einem Monat. Und auch die Wirtschaftsminister der Union machten sich bei ihrer jüngsten Zusammenkunft Gedanken darüber. Auf Anregung der Griechen, die derzeit den EU-Vorsitz innehaben, sollen sie den Gipfel vorbereiten, indem sie unter anderem die Frage nach den drei wichtigsten politischen Aufgaben zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beantworten. Auch sei noch unklar, wie eine Balance zwischen den Industrie-, Energie- und Klima-Zielen hergestellt werden kann.

Das ist denn auch eine der Hauptsorgen im verarbeitenden Gewerbe. Denn die - im weltweiten Vergleich ambitionierten - Vorgaben zum Klimaschutz, verbunden mit teils ineffizienten Fördersystemen für erneuerbare Energien, wirken sich auch auf die Energiepreise aus. Mittlerweile müssen europäische Unternehmen dafür doppelt oder dreifach so viel zahlen wie Betriebe in den USA oder in China.

Europas "Fleißaufgabe"

Daher bleiben die Klima-Ziele der EU weiter umstritten. Die Kommission schlägt etwa eine Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes um 40 Prozent bis zum Jahr 2030 vor. Der Anteil erneuerbarer Energie sollte bis dahin auf 27 Prozent steigen. Während manche Staaten sogar darüber hinausgehen wollen, finden andere die Vorgaben zu hoch gegriffen. Auch der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sieht das Ziel als "nicht unproblematisch" an, vor allem für die Industrie.

Er habe "viele Briefe" bekommen, mit dem Hinweis, dass sich Industrie und Wirtschaft "die 40 Prozent nicht vorstellen können", berichtete Mitterlehner nach den Beratungen mit seinen Amtskollegen. Europa würde damit eine "wichtige Fleißaufgabe machen", ohne aber die notwendige Praxisrelevanz zu beachten - "also wie die Industrie im internationalen Wettbewerb existieren und Arbeitsplätze sichern kann". Deswegen wäre wichtig, dass sich auch andere Weltgegenden an solchen Vorschriften beteiligen. Deren Fixierung stand denn auch nicht auf der Tagesordnung des Ministertreffens; ein Schlussdokument zu dem Thema gab es nicht.

Immerhin aber, lobte Mitterlehner, habe Industriekommissar Antonio Tajani wieder mehr Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit der Reindustrialisierung Europas gelenkt. Die Wichtigkeit des Sektors sei nämlich auch in der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht verloren gegangen. Im Gegenteil: Jene Länder, die ein starker Industriestandort sind, seien besser durch die Krise gekommen. Als Beispiele nannte der Minister Österreich und Deutschland. Der Anteil der Industrieproduktion am BIP liegt im ersten Land nur knapp unter der gewünschten 20-Prozent-Marke, in Deutschland übersteigt er diesen Wert sogar.

In Österreich weist die Industriellenvereinigung auch noch auf andere Zahlen hin. Demnach erwirtschaftet der "servoindustrielle Sektor", der neben dem produzierenden Bereich auch gewisse Dienstleistungen erfasst, fast die Hälfte der Wertschöpfung. Beschäftigt sind darin rund zwei Millionen Menschen.