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SPÖ und ÖVP unternehmen derzeit einen neuen Anlauf zur Mietrechtsreform – und es gibt durchaus Anzeichen für ein Gelingen.
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Wien. Wer im Gewirr von Gassen, Plätzen und Häuserschluchten gelegentlich die Orientierung verliert, braucht mit dem Studium des Mietrechts erst gar nicht anzufangen. Man könnte es gar als Venedig der Gesetzestexte bezeichnen, nur eben nicht so hübsch. Als das Mietrechtsgesetz im Jahr 1981 beschlossen wurde, ließ es sich noch auf 18 Seiten ausdrucken. Um die heutige, vielfach novellierte Version auf Papier zu bringen, sind bereits 70 Seiten nötig. Es gibt diverse Anwendungsbereiche und unzählige Querverweise, weshalb man oftmals wieder dort vorbeikommt, wo man gerade erst war. Wie in Venedig eben.
Dieses Gewirr zu entwirren, ist eine der Aufgaben, die sich die Regierung in ihr Arbeitsprogramm geschrieben hat, wobei das Thema gleich volley an die Sozialpartner weitergereicht wurde. Die haben ihre Wünsche beim Justizministerium abgegeben, lagen aber offenbar so weit auseinander, dass sich das Ministerium außerstande sah, aus den Vorschlägen einen Gesetzesentwurf zu basteln. Ein Grund dafür lag wohl auch im Fehlen einer präzisen, politischen Zielsetzung. Im Regierungsprogramm ist zwar von "Vereinheitlichung" und "besserer Verständlichkeit" zu lesen, doch das ist ohnehin konsensual. Darüber hinaus ist aber auch die "Leistbarkeit der Mieten" als Ziel festgeschrieben. Und das kann viel heißen.
Der große Graben zwischen den Interessensgruppen ist die Frage nach Mietgrenzen. Die SPÖ hat im Dezember ihren Vorschlag eines "Universal-Mietrechts" vorgestellt, das, abgesehen von einer Entflechtung des komplexen Gesetzeswerks, auch einen Basismietzins von 5,50 Euro pro Quadratmeter für Gebäude, die älter als 20 Jahre sind, vorsieht. Dazu kämen zwar noch Zu- und Abschläge, die aber weitaus klarer formuliert sind als derzeit. Weshalb Mieten von 15 Euro pro Quadratmeter und mehr, die mitunter heute in Wien angeboten werden, nicht mehr möglich wären.
Heikle Sache für die ÖVP
Die Immobilienbranche hat auf den Vorschlag mit Unverständnis und Ablehnung reagiert. Der Obmann des Immo-Fachverbands in der Wirtschaftskammer, Thomas Malloth, nannte den Plan sogar eine "De-Facto-Enteignung". Die ÖVP reagierte auf den Vorstoß allerdings so gut wie gar nicht öffentlich. Das ist bemerkenswert.
Für die ÖVP ist das Werken am Mietrecht eine heiklere Angelegenheit. Die Forderungen der Immo-Verbände unterscheiden sich doch merklich von jenen des ÖAAB. Zudem kommt, dass von hohen Mieten in den urbanen Gebieten vor allem junge Familien betroffen sind, die eine wichtige ÖVP-Zielgruppe sind.
Unsicherheit steigt
Die Bautensprecher der beiden Regierungsparteien, Ruth Becher für die SPÖ und Hans Singer für die Volkspartei, haben jedenfalls die Verhandlungen aufgenommen, bis Juni soll es eine Einigung geben. Noch zeigen sich beide Seiten optimistisch, doch was sonst? Nachdem bei den Sozialpartnern keine Einigung möglich schien, ist dieser Anlauf nun so etwas wie die letzte Chance auf Umsetzung eines ganz wesentlichen Punkts im Regierungsprogramm. Die Koalitionsparteien stehen hier also unter Druck, liefern zu müssen.
Die ÖVP ist dabei aber eben in der ungleich unangenehmeren Situation, die unterschiedlichen Interessen ihrer Wähler und Gruppen zu moderieren. So stellt es etwa für den Handel ein Problem dar, wenn die Mieten immer mehr vom Haushaltseinkommen verschlingen. Auf der anderen Seite muss sich die ÖVP auch mit den scharfen Reaktionen der Immo-Verbände auseinandersetzen, zumal auch das für die ÖVP wichtige Meta-Thema Eigentum in der Frage nach Mietgrenzen eine Rolle spielt.
Ein Punkt ist wichtig: Je länger über ein neues Mietrecht diskutiert wird, ohne es zu beschließen, desto größer ist die Unsicherheit bei allen Beteiligten. Es führt unweigerlich dazu, dass die Zahl der befristeten Mietverhältnisse steigen wird. Und dass möglicherweise weniger vermietet wird, weil die Eigentümer das neue Mietrecht abwarten wollen.
Die Immo-Seite sieht die Unsicherheit auch als Grund für die geringe Bauleistung privater Investoren, allerdings ist diese seit Jahrzehnten nicht hoch. Als unattraktiv für Investoren werden die steuerlichen Möglichkeiten zur Abschreibung von Gebäuden bezeichnet, die 1,5 Prozent pro Jahr betragen. Es braucht daher lange, um sich die Baukosten gewissermaßen steuerlich zurückzuholen. Der Bau von Eigentumswohnungen ist verlockender.
An den Abschreibungen zu drehen, wäre ein Ansatz, dem auch die SPÖ nicht abgeneigt scheint. Die Abschreibungsdauer von heute 67 Jahren könnte sich merklich reduzieren, vielleicht sogar mit jenem Zeitpunkt harmonisiert werden, ab dem im SPÖ-Modell der Basismietzins greift. In die Verhandlung geht die SPÖ mit der Formel: 5,50 Euro nach 20 Jahren - beide Zahlen sind freilich Verhandlungsmasse.
Bei dieser Stellschraube gibt es zwei Fußnoten. Die Erste betrifft die Wirksamkeit, ob durch eine Änderung der Abschreibungsdauer tatsächlich mehr Mietwohnungen von privaten Investoren gebaut werden. Das zweite Problem ist, dass der Finanzminister durch höhere jährliche Abschreibungen Steuereinnahmen verlieren würde. Die Bautensprecher müssten daher auch Hans Jörg Schelling von dieser Idee überzeugen. Und ein neues Mietrecht wäre das naturgemäß auch nicht, es könnte nur ein Goodie für die Immo-Verbände sein.
Neue Eintrittsrechte
Im Paragrafengewirr des Mietrechts stecken freilich viele Punkte auch abseits der Richtwerte, die auf die Höhe des Mietzinses wirken. Ein nicht unwesentlicher Bereich ist das Eintrittsrecht in bestehende (und damit günstige) Verträge durch Verwandte. Es ist eine Urangst der Vermieter, dass die Wohnung, in der eine 90-jährige Dame wohnt, nach deren Tod vom Enkel übernommen wird, und zwar zu ähnlichen Konditionen, fernab vom Marktpreis.
Das Eintrittsrecht in bestehende Verträge wird zwar auch im neuen Mietrecht seinen Platz finden, allerdings könnte die neue Regelung deutlich vermieterfreundlicher ausgestaltet sein als bisher. Dagegen dürfte sich auch die SPÖ nicht allzu sehr wehren, wenn sie im Gegenzug ein Richtwertsystem ähnlich dem vorgeschlagenen durchbekommt.
Auf dem (politischen) Weg zum leistbaren Wohnen ist das Mietrecht dennoch nur ein kleiner Schritt. Es gilt zwar bundesweit, doch betrifft es tatsächlich nur die urbanen Räume und dort auch nur den privaten Wohnbau. Die gemeinnützigen Genossenschaften, die nicht nur, aber vor allem in Wien eine zentrale Rolle auf dem Wohnungsmarkt spielen, sind wieder eine ganz eigene Geschichte.