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Im Dienste des Koalitionsfriedens: Alles neu bei der Arbeitslosenversicherung

Von Stephanie Dirnbacher

Analysen

Ob und wie lange die Koalition ihr Entlastungspaket als Sieg verkaufen kann, bleibt abzuwarten. Denn die Maßnahmen, die am Dienstag freudig präsentiert wurden, wirken nur wenig durchdacht.


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Insbesondere der Rundumschlag bei der Arbeitslosenversicherung lässt noch so einige Fragen offen. So muss man sich wundern, warum man erst Anfang dieses Jahres die Kassen der Arbeitslosenversicherung durch Einführung der Beitragspflicht für freie Dienstnehmer gefüllt hat, wenn man nun mit 1. Juli 2008 einen Großteil der Beiträge wieder abzapft.

Das passiert, indem man Niedrigverdiener mit einem Einkommen von weniger als 1100 Euro gänzlich von der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung befreit. Auch Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen, das allerdings 1350 Euro nicht übersteigen darf, müssen weniger tief in die Tasche greifen. Sie zahlen künftig nur einen reduzierten Arbeitslosenversicherungsbeitrag, der nach Einkommenshöhe gestaffelt ist. Für Arbeitgeber ändert sich in Zukunft nichts. Diese zahlen weiterhin ihren Arbeitslosenversicherungsbeitrag von drei Prozent.

Angezapft wird bei der Steuerreform

Eine Million Menschen sollen durch das Vorhaben der Regierung mit bis zu 420 Euro pro Jahr entlastet werden. Eine Entlastung, die natürlich etwas kostet, und zwar rund 300 Millionen Euro. Wer nun glaubt, dass die Regierung diese Summe freizügig springen lässt, irrt. Vielmehr wird umgeschichtet. Für die Entlastung bei der Arbeitslosenversicherung muss im Gegenzug die Steuerreform daran glauben, die nun um jene 300 Millionen Euro geringer ausfallen wird.

Auch wenn die präsentierten Maßnahmen sozialpolitisch legitim erscheinen, fehlt ihnen doch vor allem eines: eine sachliche Rechtfertigung.

Immerhin bringt die Prämienfreistellung jene Personen, die weniger als 1100 Euro verdienen, in die glückliche Lage, dass diese eine Leistung in Anspruch nehmen können, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Abgesehen von den Beiträgen des Arbeitgebers weicht die Regierung damit vom Prinzip der Gegenseitigkeit im Sozialversicherungsrecht ab, nach dem eine Leistung für eine Gegenleistung erbracht wird.

Das Argument, dass Niedrigverdiener sich die Prämien nicht leisten können, geht ins Leere. Schließlich muss jemand mit einem niedrigen Einkommen nicht gleich wirtschaftlich arm sein. Immerhin könnte er abgesehen von diesem Einkommen noch über anderes Vermögen verfügen.

Genauso wenig würde die Argumentation überzeugen, dass Niedrigverdiener ein höheres Risiko haben, arbeitslos zu werden und ihnen deshalb die Zusatzbelastung erspart wird.

Es bleibt also abzuwarten, wie die Regierung die Bevorzugung der Niedrigverdiener rechtfertigen wird.