Die Debatte über Agententätigkeiten für kommunistische Geheimdienste flammt in osteuropäischen Ländern immer wieder neu auf.
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In amerikanischen Filmen tragen sie manchmal einen Trenchcoat. Und einen Hut. Auf jeden Fall versuchen sie, so wenig wie möglich aufzufallen. Oder - wenn sie Briten sind - es ist ihnen egal, ob sie unscheinbar sind oder nicht, und sie konzentrieren sich auf gutes Aussehen, spektakuläre Auftritte und die richtige Zubereitung ihres Drinks.
Das Bild des Agenten, das von der amerikanischen und westeuropäischen Literatur geprägt ist, schwankt zwischen gerissenen Angestellten einer geheimen staatlichen Organisation und verwegenen Draufgängern, die sich um bürokratische Vorgaben nicht scheren. Doch in etlichen osteuropäischen Ländern ruft das Wort andere Assoziationen hervor: die vom Spitzel, der Informationen über andere an die Geheimdienste weitergab, was im schlimmsten Fall Karrieren und sogar Leben zerstören konnte. Der Denunziant konnte ein unauffälliger Nachbar sein, ein Arbeitskollege, aber auch jemand aus dem engsten Freundes- oder Familienkreis.
Die Debatte über die Zusammenarbeit mit den kommunistischen Geheimdiensten flammt mehr als 20 Jahre nach den politischen Umstürzen immer wieder auf - ob in Polen, Tschechien, Bulgarien oder Rumänien. Und als Beitrag zur Aufarbeitung der jüngeren Geschichte jener Länder ist diese Diskussion kaum zu überschätzen - auch wenn sie oft darauf reduziert wird, einzelne Personen in den Mittelpunkt der Kritik zu rücken, anstatt in einem größeren Zusammenhang die einstigen Strukturen zu beleuchten.
Doch selbst das zeigt, wie weit das System des gegenseitigen Belauerns reichte. In Bulgarien etwa veröffentlicht der für die Geheimakten der ehemaligen Staatssicherheit zuständige staatliche Ausschuss immer neue Listen mit Namen von einstigen Mitarbeitern. Und einige von ihnen sind noch immer in hohen Positionen tätig. Darunter sind dutzende Zöllner, derzeit in Führungspositionen, und Mitglieder der Akademie der Wissenschaften in Sofia.
Die zuletzt publizierte Liste umfasst 192 Namen von Angestellten des Außenministeriums, und einige von ihnen sind dort in leitenden Funktionen. Also hat fast jeder Dritte der knapp 600 Überprüften mit der Staatssicherheit kooperiert. Dass diese an einer Zusammenarbeit mit Personen interessiert war, die wiederum Kontakt hatten zu Menschen, die ins - westliche - Ausland reisten, sollte allerdings keine Überraschung sein.
Erst im Dezember des Vorjahres ergab eine Überprüfung, dass fast die Hälfte der bulgarischen Botschafter Informationen an den Geheimdienst weitergegeben hatte. Dutzende von ihnen möchte die Regierung abziehen - so wie es etwa die polnische Regierung vor wenigen Jahren getan hat. Danach waren Botschafterposten in einigen Ländern - unter anderem in Österreich - monatelang unbesetzt.
Doch Bulgariens Präsident Georgi Parwanow wehrt sich gegen eine "generelle Lösung" wie eine Massenabberufung von Botschaftern. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Parwanow selbst Mitarbeit mit dem Geheimdienst nachgewiesen worden ist. Doch gibt es in Bulgarien kein Gesetz, das Ex-Spitzel zum Rücktritt zwingt.
Dennoch kam es vor wenigen Wochen zur ersten Entlassung eines Ministers wegen seiner Vergangenheit. Das Parlament entließ den Mann, der davor seinen Rücktritt eingereicht hatte. Grund: Bei einem Studienaufenthalt im Vatikan war Boschidar Dimitrow auch für den Geheimdienst tätig gewesen. In der jetzigen Regierung war er für die Auslandsbulgaren zuständig.