Die SPÖ will mit einem Junktim die ÖVP bewegen, trifft damit aber vor allem die Grünen.
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Die Relevanz oppositionell eingesetzter Sondersitzung ist meist gering. Denn es geht nicht um unaufschiebbare Beschlüsse, sondern um Themen, die der Opposition unter den Nägeln brennen, der Regierung aber mutmaßlich nicht. So wie am Freitag in Fragen zur Teuerung. Und doch wirkt die Sitzung diesmal nach.
Die SPÖ hatte angekündigt, bei Beschlüssen der Regierungsparteien nicht mehr mitzustimmen, solange sich die Regierung stärkeren Markteingriffen in die Preisbildung verwehrt. Viel konkreter wurden die Roten nicht. Bedeutsam ist dies nur bei Verfassungsgesetzen, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit verlangen. Betroffen sind - vorerst - zwei Vorhaben zum Klimaschutz, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz sowie das Energieeffizienzgesetz.
Während Letzteres im Wesentlichen eine Umsetzung einer EU-Richtlinie darstellt, ist Ersteres der Einstieg in den Ausstieg aus der fossilen Raumwärme, wobei damit sowohl ordnungspolitische Maßnahmen wie auch Förderungen verbunden sind. Es sei das wichtigste Gesetz in Sachen Klimaschutz, heißt es im grünen Klub. Dort ist man auch drei Tage nach der Sitzung noch erzürnt.
Erstens sei man in den Verhandlungen der SPÖ schon weit entgegengekommen, auch beim Energieeffizienzgesetz, zweitens sei die derzeitige parlamentarische Konstellation die einzige, in der das Erneuerbare-Wärme-Gesetz beschlossen werden könne. Denn eine Freude habe die ÖVP, gelinde gesagt, nicht. Doch in einer Regierung mit den Grünen und der Möglichkeit des einen oder anderen Abtauschs gebe es nun das Fenster der Möglichkeit.
Klubchefin Sigrid Maurer hatte bereits am Freitag scharf reagiert, am Sonntag warf sie dann in der ORF-"Pressestunde" der SPÖ vor, "kurzsichtig und verantwortungslos" zu agieren, weil der Klimaschutz darunter leide. Die SPÖ returnierte postwendend, die Regierung würde das Land sozial- und wirtschaftspolitisch an die Wand fahren, sagte Leichtfried in einer Aussendung. Klimaschutz versus Sozialpolitik lautet das Match.
Die Ankündigung der parlamentarischen Verweigerung hatte am Wochenende auch Unterstützung von Burgenlands Hans Peter Doskozil gefunden, außerhalb der Sozialdemokratie war der kommunikative Erfolg der Aktion aber eher überschaubar.
Ungewohnte Strategie
Doch warum eigentlich? Die FPÖ nimmt sich seit Jahren als Mehrheitsbeschaffer weitgehend aus dem Spiel. Ohne größere Aufregung. Von der SPÖ sei man derartige Fundamentalopposition aber nicht gewöhnt, sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle von der FH Klagenfurt. Das bestätigt auch eine empirische Arbeit des Politologen Marcelo Jenny von der Uni Innsbruck für die erste schwarz-blaue Koalition. Damals ging die parlamentarische Zustimmungsrate zwar zurück, aber nur leicht, und sie stieg in der zweiten Amtszeit unter Kanzler Wolfgang Schüssel dann auch wieder an. Die SPÖ unterstützte auch die von Linken kritisierte Fremdenrechtsreform.
Dass sich die Freiheitlichen mit dem Mittel der Totalverweigerung seit Monaten im Aufwind befinden, könnte laut Stainer-Hämmerle auf die SPÖ gewirkt haben. Das hieße in dem Fall, dass die günstigen Umfragen für die FPÖ nicht nur inhaltlich den Diskursrahmen anderer Parteien beeinflussen, sondern auch die Stilistik. "Ich glaube aber nicht, dass das der richtige Weg ist und zu Rendi-Wagner, die als Quereinsteigerin gekommen ist, passt", sagt Stainer-Hämmerle. "Allerdings", ergänzt sie, "sind auch die Neos, die betont konstruktiv agieren, damit nicht wirklich weitergekommen."
Heikler Zeitpunkt
Das führt zu zwei strategischen Überlegungen: Vor vier Jahren hatte die SPÖ fast 200.000 Wählerinnen und Wähler an die Grünen abgeben müssen. Wenn man nun in der Konsequenz zwei grüne Vorhaben abräumt, ist die Frage, ob dies wirklich ein Angebot an jene Wähler ist, wieder ein Stück des Weges mit den Roten zu beschreiten. "Es verärgert die Grünen mehr als die ÖVP", sagt Stainer-Hämmerle.
Den zweiten Gedanken formuliert der Politologe Peter Filzmaier: "Warum jetzt?" Kommende Woche könnte im SPÖ-Klub, je nach Ausgang der Mitgliederbefragung, kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Für Filzmaier ist es daher ein "Logikfehler", wie er sagt, mit derartigen Grundsatzentscheidungen nicht diese paar Tage zuzuwarten.
Der auch medial geäußerten Kritik, dass sich die SPÖ mit dieser General-Verweigerung auch der staatspolitischen Verantwortung entzieht, kann Filzmaier aber wenig abgewinnen. "Das wäre es nur dann, wenn es für immer gilt", sagt er. Filzmaier sieht eher ein klassisches Junktim. "Es ist auch nur für eine bestimmte Zeit und jederzeit zurücknehmbar." Derartige Abtauschgeschäfte - Zustimmung für A, wenn man B erhält - sind in der Politik nicht außergewöhnlich. Sie werden aber in der Regel nicht öffentlich verhandelt.
Die SPÖ tat das nun am Freitag. Auch der Politologe Marcelo Jenny von der Universität Innsbruck sieht primär strategische Gründe für die Ankündigung der SPÖ. Ob der Abtausch für die Sozialdemokraten erfolgreich endet, werden die kommenden Tage und Wochen entscheiden. Das Problem: Die SPÖ will innerhalb der Regierung Bewegung von der ÖVP, das Junktim aber schmerzt die Grünen.