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Im Dschungel nachhaltiger Investments

Von Alexander Eberan

Gastkommentare

Einheitliche Standards fehlen - die Politik gibt Orientierung.


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In Krisenzeiten rücken Ethik, Moral und Nachhaltigkeit verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Investoren, insbesondere Privatanleger, sind da keine Ausnahme. Die Vielfalt an Angeboten, nur jenen Firmen sein Kapital zur Verfügung zu stellen, die tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Welt haben, wächst täglich. Das Kürzel ESG bietet Orientierung und steht für die drei Bereiche "Environment" (E), "Social" (S) und "Governance" (G), also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Unsere Investment-Experten empfehlen, genau hinzusehen, was sich hinter den zahlreichen ESG-Ansätzen verbirgt. Das Etikett "ESG" kann nämlich bisweilen sogar irreführend sein.

Regelwerk von EU und UNO

Die Politik gibt Orientierung, indem sie die Umsetzung der Nachhaltigkeit zunehmend vereinheitlicht. Auf supranationaler Ebene wurde bereits damit begonnen, durch Erreichung diverser Ziele bis 2030 eine nachhaltigere und bessere Zukunft für kommende Generationen zu schaffen. Dies ist beispielsweise in den 17 "Sustainable Development Goals" (Nachhaltigkeitszielen) der UNO festgeschrieben, die unter anderem die Beendigung von Armut und Hunger oder die Gleichstellung der Geschlechter festschreiben.

Auch die EU hat bereits den klima- und energiepolitischen Rahmen bis 2030 vorgestellt, dabei wurden zum Beispiel die Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent oder auch die Erhöhung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Quellen auf mindestens 32 Prozent als Ziele vorgegeben. Im Rahmen des kürzlich vorgestellten "Green Deal" will die EU bis 2050 sogar klimaneutral werden. Das heißt, es sollen netto gar keine Treibhausemissionen mehr freigesetzt werden.

Noch einen Schritt weiter geht die "Global Compact Initiative" der UNO, nach der sich Firmen verpflichtend dazu bereit erklären, soziale und ökologische Mindeststandards, die in zehn Prinzipien dargestellt sind, einzuhalten. Mit dem Ziel eines nachhaltigen globalen Finanzsystems haben die Vereinten Nationan auch die "Principles for Responsible Investment" (PRI) ins Leben gerufen. Firmen, die diesem Investorennetzwerk angehören möchten, verpflichten sich - wenn auch auf freiwilliger Basis - in sechs Prinzipien, dass sie die ESG-Faktoren in ihre Entscheidungsfindungsprozesse und Investmentanalysen integrieren.

Im Detail kompliziert

In der Finanzwirtschaft wurden zu diesem Thema seit den späten 1980er Jahren, als der Begriff nachhaltiger Investments im heutigen Sinne geprägt wurde, unzählige Fonds aufgelegt und auch stets Fortschritte bei den Definitionen erzielt, die Anlegern die Auswahl erleichtern sollen. Es mangelt aber bis heute an einheitlichen Standards, die Richtlinien für einen positiven Einfluss auf Umwelt oder Gesellschaft festlegen, wiewohl das Angebot der ESG-Palette auf den ersten Blick leicht durchschaubar scheint: Während im Bereich Umwelt Themengebiete wie Bekämpfung des Klimawandels, Artenvielfalt oder das Problem der Ressourcenknappheit behandelt werden, steht der Bereich Soziales zum Beispiel für die Bekämpfung der Kinderarbeit oder die Achtung der Menschenrechte. Der Bereich Führung wiederum behandelt etwa Maßnahmen gegen Korruption oder Intransparenz. Wenn man also in einen ESG-Fonds investiert, dann sind darin Firmen enthalten, die zum Beispiel umweltfreundlich produzieren, ihren Mitarbeitern ein guter, sozialer Arbeitgeber sind und darüber hinaus auf der Managementebene transparent und sauber agieren.

Sieht man sich aber genauer an, wie die großen Indexanbieter das Thema ESG leben, wird es schon wesentlich komplizierter. Denn selbst innerhalb desselben Anbieters gibt es unterschiedliche ESG-Ansätze, die es zu identifizieren gilt. So hat etwa der Anbieter des bekannten Weltaktienindex "Morgan Stanley Capital International" (MSCI) derzeit diverse ESG-Ansätze im Angebot, so etwa mit der Bezeichnung "ESG Leaders" und "ESG Enhanced".

Ein dehnbarer Begriff

Basierend auf MSCI-internen Prüfkriterien, werden Firmen aus dem "ESG Leaders Index" und daraus folgend auch aus dem darauf basierenden Fonds ausgeschlossen, wenn sie ein hohes Potenzial an negativen sozialen oder umweltbezogenen Einflüssen aufweisen. Dies betrifft im Speziellen die folgenden Bereiche: Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Atomenergie, kontroverse, konventionelle Waffen und zivile Waffensysteme.

Der Begriff "hohes Potenzial für negativen Einfluss" ist ein dehnbarer, denn tatsächlich ausgeschlossen sind in diesem Ansatz nur die Hersteller kontroverser Waffen wie zum Beispiel Clusterbomben oder Landminen. Alle anderen kritischen Bereiche sind zwar durch Umsatzgrenzen (maximal 50 Prozent Anteil am Gesamtumsatz) eingeschränkt, tatsächlich aus dem Index ausgeschlossen werden sie aber nur dann, wenn sie diese Umsatzgrenze überschreiten.

Der Ansatz "ESG Enhanced" basiert ebenfalls auf MSCI-Regelwerken und definiert auch gewisse Branchen als kritisch oder mit hohem Potenzial, einen negativen Einfluss zu haben. Dieser Ansatz ist umfangreicher definiert als "ESG Leaders": Die Herstellung von kontroversen, nuklearen und zivilen Waffen, Tabak, Thermalkohle oder Ölsand wird ausgeschlossen, und die Einhaltung der "Global Compact Initiative" der UNO wird verlangt. Allerdings: Wie beim "ESG Leaders"-Ansatz werden nur kontroverse Waffen zur Gänze ausgeschlossen, während bei den übrigen Kriterien minimale beziehungsweise niedrige Toleranzschwellen bestehen. Der Unterschied zu "ESG Leaders" liegt im Wesentlichen in der Toleranzgrenze des Umsatzanteils. Während diese bei "ESG Leaders" maximal 50 Prozent betragen darf, sind es bei "ESG Enhanced" nur noch 5 Prozent. Dieser Ansatz ist also schon deutlich strenger und dürfte das Gewissen des Investors noch mehr beruhigen - ein 100-prozentiger Ausschluss aller definierten Kriterien wird aber auch hier nicht gelebt.