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Im eigenen Interesse

Von Andrea Riemer

Politik

Das Verhältnis Russlands zur Europäischen Union, China und Indien ist seit dem Zusammenbruch der UdSSR von pragmatischen Überlegungen bestimmt - wenngleich historisch gewachsene Animositäten nach wie vor eine gewisse Rolle spielen.


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Moskau sieht die EU in erster Linie als wichtigen Abnehmer von Rohstoffen und Energieträgern sowie als wesentlichen Impulsgeber der eigenen Modernisierungsbestrebungen im Sinne von Investitionen, Kapital, Wirtschaftshilfe. Sehr viel weniger Interesse hat Russland dagegen, die europäischen Standards im Bereich Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte oder Umweltschutz zu übernehmen.

Ziel der bereits 1994 mit dem Vertrag über Partnerschaft und Zusammenarbeit (seit 1. Dezember 1997 in Kraft) abgeschlossenen strategische Partnerschaft zwischen der EU und Russland ist es, diese weiter zu festigen und die vielfältige Zusammenarbeit der EU mit Russland zu verbessern. 1999 wurde die Gemeinsame Strategie der EU gegenüber Russland verabschiedet (Common Strategy of the European Union on Russia). Moskau unterstützt alle europäischen Initiativen, welche auf eine Abgrenzung von den USA und eine Schwächung der NATO hinauslaufen, da es sich davon einen Machtgewinn erhofft. Symmetrie und Reziprozität prägen in sicherheitspolitischen Fragen das russisch-europäische Verhältnis. Klar ist, dass Russland keine EU-Mitgliedschaft anstrebt.

9/11 war auch eine Zäsur in den russisch-indischen Beziehungen. Beide Länder sehen sich mit ähnlichen Bedrohungen und dem gleichen Feind (moslemischen Separatisten, die sich terroristischer Methoden bedienen) konfrontiert. Dementsprechend betrachten sie sich als "natürliche Verbündete", die sich als "Freunde Amerikas" präsentieren. Die Beziehungen basieren noch auf einem eingeschränkten Fundament (Rüstungslieferungen, Technologietransfers). Für die Zukunft wird die Kooperation am Energiesektor und in der Wissenschaft verstärkt. Für die regionale Stabilität sind funktionierende Beziehungen zwischen beiden auch für die USA wesentlich.

China und Russland haben sich 1996 zu einer strategischen Partnerschaft entschlossen, wobei diese besonders für Russland wesentlich ist, da es China in vielen Bereichen unterlegen ist. Ende der siebziger Jahre war das wirtschaftliche Kräfteverhältnis zwischen der Sowjetunion und China noch 4:1. Ende der neunziger Jahre hatte es sich in 1:4 umgekehrt.

Das selbstbewusst seinen eigenen Weg gehende "Reich der Mitte" ist sich seiner Position sehr wohl bewusst und wird daher diese Partnerschaft nach Maßgabe der eigenen Interessen beenden oder fortführen. Dabei sind beide Spieler mit einem schwierigen Balanceakt konfrontiert: Zu viel Nähe kann Russland die westliche Unterstützung kosten und China Schwierigkeiten in den Beziehungen mit den USA schaffen.