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Van der Bellen: Mehrheit für Grundsicherung mithilfe der FPÖ vorstellbar. | Deutsches Zwei-Stimmenwahlrecht als Vorbild. | "Wiener Zeitung": Die Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP laufen mehr als schleppend an. Rechnen Sie mit einer Einigung auf eine große Koalition? | Alexander Van der Bellen: Vorläufig halte ich das durchaus für möglich. Solche Einleitungsrunden werden ja immer von viel Theaterdonner begleitet. In wichtigen Bereichen zeichnet sich allerdings keine Einigung ab, etwa beim Bildungsumbau, bei der Armutsbekämpfung oder beim Thema Energiesicherheit. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man die Verhandlungsteams näher betrachtet. Für Bildung sind Bildungsministerin Elisabeth Gehrer und Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl zuständig - ich wüsste nicht, dass sich Niessl irgendwann einmal mit diesem Thema beschäftigt hat.
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Angenommen, eine Einigung gelingt nicht: Was wäre aus Sicht der Grünen die logische Konsequenz?
Da gibt es ohnehin nur zwei Möglichkeiten: Entweder eine Minderheitsregierung mit darauf folgenden Neuwahlen oder sofortige Neuwahlen.
Können Sie sich für den Fall einer Minderheitsregierung die Umsetzung gewisser grüner Projekte vorstellen?
Das hängt zuerst einmal von der führenden Partei ab.
Abgeneigt sind Sie aber nicht, immerhin wird am 30. Oktober aller Voraussicht nach mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen ein U-Ausschuss zu den Eurofightern beschlossen werden.
Solche gemeinsamen punktuellen Beschlüsse hat es auch in der Vergangenheit schon immer gegeben.
Demnach ist diese Mehrheit auch beim Thema Grundsicherung möglich, dem ja auch die FPÖ prinzipiell zustimmt.
Wenn es um wichtige Einzelfragen geht, ist das sicherlich vorstellbar - unter der Bedingung, dass die FPÖ ihre Zustimmung nicht an die Umsetzung ihrer Ausländerpolitik knüpft.
Waren Sie eigentlich überrascht, als Gusenbauer plötzlich am ersten Tag nach der Wahl die Forderung nach einer Grundsicherung erhob? Eigentlich ist das ja ein Kernanliegen der Grünen, mit dem sich die SPÖ nie richtig anfreunden konnte.
Ja, eigentlich schon, aber Copyright-Fragen halte ich in diesem Fall für eher zweitrangig.
Angesichts der wiederkehrenden Probleme bei der Regierungsbildung wird wieder über die Einführung eines mehrheitsfördernden Wahlrechts diskutiert. Bleiben die Grünen bei ihrem Nein?
Natürlich ziehen die Grünen das Verhältniswahlrecht vor. Das Problem liegt aber nicht im Wahlrecht, sondern in der Tatsache, dass es in Österreich zwei Parteien gibt, die in diesem Wahlkampf eine Anti-Ausländer-Politik betrieben haben, dass einem die Grausbirnen aufsteigen.
Sehr wohl vorstellen könnte ich mir allerdings ein Modell, wie es in Deutschland existiert: Hier gibt es eine Erst- und eine Zweit-Stimme, die verschiedenen Parteien gegeben werden kann. Das käme auch den Bedürfnissen der vielen Wechselwähler eher entgegen.
Die Grünen haben von Gusenbauer die Herausgabe des Eurofighter-Vertrages gefordert, obwohl dieser sich per Unterschrift zur Geheimhaltung verpflichten musste.
Dennoch war es legitim, aber eigentlich wäre die Offenlegung Aufgabe von Bundeskanzler und Verteidigungsminister. Rein juristisch ist die Argumentation, dass Gusenbauer aufgrund des Auftrags zur Regierungsbildung nun ein Staatsorgan ist, ein völliger Holler. Entweder handelt es sich bei der Weitergabe um den Bruch des Amtsgeheimnisses oder der Vertrag muss allen Abgeordneten zugänglich gemacht werden. Das zeugt von einem Staatsverständnis, das typisch ist für die ÖVP, das grenzt an Feudalismus.
Befürchten Sie, dass die SPÖ angesichts der laufenden Verhandlungen mit der ÖVP im Eurofighter-U-Ausschuss auf die Bremse steigt?
Das ist, weil ja alle Entscheidungen mehrheitlich getroffen werden, durchaus möglich. Das wäre dann nur ein weiterer Beleg, dass große Koalitionen nur packeln anstatt aufdecken.
Werden Sie die volle Legislaturperiode als Klubobmann und Bundessprecher der Grünen zur Verfügung stehen?
Ja klar! Mit jeder anderen Antwort würde sich ein Politiker außerdem selbst entmachten.