Der Wahlkampf-Schlussspurt in Nordrhein-Westfalen wird doch noch richtig spannend. Wochenlang waren CDU und FDP in den Meinungsumfragen anscheinend uneinholbar vor Rot-Grün gelegen. Nun hat die SPD aber aufgeholt.
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Die SPD konnte unternehmen, was sie wollte - der Vorsprung von Schwarz-Gelb wurde zunächst nicht kleiner. Selbst die von SPD-Chef Franz Müntefering angezettelte Kapitalismus-Debatte schlug sich in den Umfragen nicht positiv nieder.
Doch seit sich Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) und sein CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers am Himmelfahrtstag im ersten TV-Duell gegenüber standen, glaubt die SPD an eine Trendwende. Steinbrück hat das Duell nach SPD-Lesart dank seiner Attacken auf Rüttgers klar gewonnen. Seit dem ersten TV-Duell ist der Vorsprung von CDU und FDP von einst bis zu elf Prozentpunkten auf - je nach Institut - fünf bis acht Punkte geschrumpft. Und auch eine Blitzumfrage nach dem jüngsten TV-Duell am Dienstag abend sah Steinbrück vor seinem Herausforderer: 47 Prozent der Befragten meinten, Steinbrück sei überzeugender gewesen, 31 Prozent sprachen sich für Rüttgers aus. Auch die unentschiedenen Wähler sahen Steinbrück vor Rüttgers (46 zu 22 Prozent). Die überzeugenderen inhaltlichen Argumente hatte bei drei von fünf Politikfeldern (Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Bildung) Jürgen Rüttgers. Bei den Themen Finanz- und Energiepolitik lag Steinbrück vorn.
Rüttgers, der bei CDU-Wahlkampfveranstaltungen bereits als "Noch-Fraktionsvorsitzender und in wenigen Tagen Ministerpräsident" begrüßt wird, setzt weiter auf eine Wechselstimmung nach 39 Jahren SPD-Regierung in Düsseldorf. "Wir waren noch nie so nah dran", zeigt er sich überzeugt. Die gute Resonanz der CDU-Veranstaltungen bestärkt ihn.
Die Schulpolitik und - wie könnte es in Nordrhein-Westfalen anders sein - die Steinkohle habe sich zu Hauptstreitpunkten im Wahlkampf entwickelt. Die CDU versucht mit dem Hinweis auf die pro Jahr ausfallenden Millionen Unterrichtsstunden zu punkten. Steinbrück wirft der Opposition "gezielte Desinformation" vor. In den Vorzeigeländern der Union, Bayern und Baden-Württemberg, sei es auch nicht besser.
Gravierender ist der Streit um die Kohlesubventionen. Die CDU will sie nach einem Wahlsieg bis 2010 halbieren. Rüttgers stellt inzwischen sogar die von Bund und Land bis 2008 vertraglich zugesagten Hilfen in Frage. Für die SPD ist das im Revier willkommene Wahlkampfmunition. Steinbrück lässt keine Gelegenheit aus, der CDU vorzuwerfen, mit diesem Kurs Massenentlassungen auf den Zechen zu verursachen.
Für Grüne und FDP wird es im sich zuspitzenden Wahlkampf immer schwieriger, auf sich aufmerksam zu machen. Die Grünen griffen deshalb zum bewährten Mittel der Attacken auf den Koalitionspartner. Nachdem SPD-Landeschef Harald Schartau Kritik der Grünen an mangelnder Mobilisierung recht barsch zurückgewiesen hatte, keilten diese zurück. Schartau sei "der schwächste Landesvorsitzende, den die SPD je gehabt habe" und "auch als Wirtschafts- und Arbeitsminister eine Enttäuschung", polterte Fraktionsvize Reiner Priggen.
Bis zum letzten Tag vor der Wahl wollen Steinbrück und Rüttgers um die entscheidenden Wählerstimmen kämpfen. Steinbrück kommt dazu am Samstag sogar nach Pulheim, in den Wohnort seines Herausforderers. Und selbst am Nachmittag des Wahlsonntags will die SPD auf den Fußballplätzen des Landes Unentschlossene noch zur Stimmabgabe bewegen. dpa