Wien/Bratislava - In kaum einem Bewerberland scheint die Zustimmung zum EU-Beitritt so groß zu sein wie in der Slowakei. Laut aktuellen Umfragen wollen fast 78 Prozent der SlowakInnen für eine Mitgliedschaft in der Union stimmen. Die Vorteile überwiegen, ist die Mehrheit überzeugt.
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Es könnte das erste Referendum in der slowakischen Geschichte sein, das erfolgreich ausgeht. Bisher sind alle Volksabstimmungen an der Frequenz-Hürde gescheitert: Für ein gültiges Ergebnis müssen sich nämlich 50 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen begeben. Diesmal könnte es klappen: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes des Slowakischen Rundfunks wollen 80,5 Prozent der Befragten an der Abstimmung am 16. und 17. Mai teilnehmen.
"Die Leute sind überzeugt davon, dass es sich um eine wichtige und interessante Frage handelt", erklärt Roman Lauko, Direktor des Europahauses Bratislava. "Sie glauben, dass es ihnen nach einem EU-Beitritt besser geht als jetzt, dass sie mehr Geld verdienen werden" - wenn auch nicht in den ersten Jahren der Mitgliedschaft. Was sich Lauko von einem EU-Beitritt der Slowakei erhofft, umreißt er mit einem Wort: Stabilität. Sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer Hinsicht.
Ökonomisch gesehen ist die Slowakei - wie die meisten anderen Beitrittskandidatenstaaten - bereits in den EU-Markt integriert. Und trotz einer hohen Arbeitslosenrate von durchschnittlich 18 Prozent ist das Wirtschaftswachstum höher als in EU-Staaten. Für heuer wird ein BIP-Anstieg von 3,5 Prozent prognostiziert.
Das lasse das Land für ausländische InvestorInnen auch weiterhin attraktiv erscheinen, gibt sich Peter Kollarik optimistisch. Der Generaldirektor von Siemens Slowakei ist sicher, dass das Gebiet auch in den kommenden Jahren Zielregion bleibt. Als Beispiel führt er den Bau einer Fabrik in Trnava an: Dort will sich der französische Autokonzern Peugeot Citroen niederlassen.
Auf der Bremse stehe allerdings die Politik - und zwar die österreichische, stellt Kollarik fest. Waren österreichische PolitikerInnen auch nach dem Jahr 1989 präsent, um ihre Unterstützung für die damalige Tschechoslowakei zu bekunden, so hätten sie es nun mit dem Ausbau der Infrastruktur nicht so eilig. So ist die Verbindungstrasse Wien-Bratislava auf der slowakischen Seite fertig. Doch die Autobahn endet an der österreichischen Grenze. Diese Versäumnisse könnten Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.
Dass SlowakInnen nach dem EU-Beitritt verstärkt in anderen EU-Staaten Arbeit suchen werden, glaubt Kollarik ebenso wenig wie Lauko. Schon frühere Befürchtungen, dass etwa EDV-SpezialistInnen das Land verlassen würden, hätten sich nicht bewahrheitet.
Die Serie wird morgen fortgesetzt.