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Im Europa-Elektroschock

Von Ferdinand Krenn

Politik

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Ab 19. Februar muß auch in Österreich der Strommarkt in Etappen liberalisiert werden. Die Umsetzung dieser EU-Richtlinien wurde im Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz (Elwog) am 7.

Juli 1998 im Parlament beschlossen, an Netztarifverordnungen wird derzeit immer noch gearbeitet.

Im Parlament wurde am 27. Jänner im Hauptausschuß über die Netztarifverordnung und über die Höhe der Abschreibemöglichkeiten für unrentable Kraftwerke debattiert. Über die Höhe des Netztarifs · was

kostet der Transport · der Kilowattstunde wird immer noch verhandelt. Bis zum 19. Februar muß der Netztarif festgelegt sein.

Kraftwerke, die durch die Marktöffnung unrentabel sind, sollen durch die Betriebsbeihilfenverordnung mit insgesamt 8,7 Mrd. Schilling gestützt werden: Als unrentable Investitionen und Rechtsgeschäfte

stehen auf der Wunschliste der Kraftwerksbetreiber die Kraftwerke Freudenau und Voitsberg 3, die Kraftwerksketten Mittlere Salzach und Obere Drau und der Kohle-Lieferungsvertrag zwischen der Graz-

Köflacher Eisenbahn und Bergbau Gesellschaft mit der Österreichischen Draukraftwerke AG. Von den 8,7 Mrd. Schilling Betriebsbeihilfen ist aber nur ein Zuschlag auf die Netzgebühr für den Einsatz

heimischer Braunkohle bis zum Jahr 2008 in der Höhe von insgesamt 2,1 Mrd. Schilling bisher garantiert, die Subvention der anderen Kraftwerksprojekte muß noch von der EU genehmigt werden.

Die Sprecher der Oppositionsparteien befürchten, daß die Produktion von Ökostrom aus Wind, Deponiegas, Sonnenlicht (Photovoltaik) und Biomasse mangels Förderung benachteiligt werden könnte.

Die Sprecher der Regierungsparteien hoben hervor, daß die Netztarife mehr Kostentransparenz bedeuten · der Ökostrom könnte durch Einspeisetarife gefördert werden.

Strom-Etappen

Ab 19. Februar muß auch in Österreich der Strommarkt nach EU-Richtlinien liberalisiert werden. Das Liberalisierungsrezept? Angenommen, der Preis für die Kilowattstunde ist Ihnen zu hoch? · Sie

können sich einen Stromlieferanten aussuchen, der die Kilowattstunde billiger anbietet. Dann werden Sie sich mit dem Netzbetreiber einig, wieviel die Benutzung des Stromleitungsnetzes kostet und dann

sollte die Kilowattstunde billiger sein als bisher. Kleiner Schönheitsfehler dieses Modells: Das Modell gilt nur für Großverbraucher und wird in Raten durchgeführt.

Ab 19. Februar wird der österreichische Strommarkt in Etappen liberalisiert. Unternehmen, die über 40 Gigawattstunden (40 Mill. Kilowattstunden) im Jahr verbrauchen, können sich künftig den

Stromlieferanten selber aussuchen. Das betrifft 70 Unternehmen in Österreich, hauptsächlich die Papierindustrie und entspricht einer Marktöffnung von 25 Prozent.

Ab dem Jahr 2000 dürfen Großverbraucher ab 16 Gigawattstunden wählerisch sein und ab dem Jahr 2002 Verbraucher ab neun Gigawattstunden auf Mengenrabatt hoffen.

Strompreis runter

Von diesen EU-Richtlinien profitieren schon jetzt Großkunden, die künftig ihre Lieferanten selber aussuchen können. Die Preise für die Kilowattstunde für Großverbraucher sind jetzt schon von

früher 95 Groschen auf 65 Groschen und darunter gefallen.

Laut Wirtschaftskammer erspart sich die Industrie schon heuer beim Stromeinkauf rund 750 Mill. Schilling · eine durchschnittliche Ersparnis zwischen elf und zwölf Prozent. Normalverbraucher,

Haushalte, die pro Jahr durchschnittlich 3.000 bis 4.000 KWh verbrauchen, müssen auf billigen Strom noch warten, können sich aber bereits jetzt schon einen Ökostromlieferanten aussuchen · und mit

Ökostrom · beispielsweise von einem Windkraftwerk · beliefert werden. Das aktuelle Rechenbeispiel ist derzeit noch nicht sehr ermutigend:

Strompreis-hoch

Als Umweltschutzpartei möchten die Grünen vorbildlich sein und wollen daher ihr Grünes Büro im siebenten Wiener Gemeindebezirk mit Ökostrom versorgen. Pro Jahr werden hier rund 50.000

Kilowattstunden verbraucht. Energieexperte Dieter Hornbachner rechnet vor: "Angenommen, wir beziehen den Strom von einem Windkraftwerk um 1,20 Schilling die Kilowattstunde · müssen dazu 1,20

Schilling Netztarif rechnen und 10 Groschen Energieabgabe · macht zusammen einen Kilowattstundenpreis von 2,50 Schilling. Derzeit zahlen wir für eine KWh von der Wienstrom 1,84 Schilling. Wir

möchten, daß durch Förderungen der Ökostrom wettbewerbsfähig wird.

Strombörse

Braucht Österreich 15 (fünfzehn !!) Elektrizitätsversorgungsunternehmen (Verbundgesellschaft · neun Landesgesellschaften · 5 Stadtwerke), wenn eine ausländische Stromgesellschaft größer ist als

alle österreichischen Gesellschaften zusammen? Alle Versuche, in Österreich einen schlagkräftigen Stromkonzern zu formieren, sind bisher gescheitert. Der Stromhändler Johannes F. Mayer hat schon vor

drei Jahren berechnet, daß durch Rationalisierungsmaßnahmen in der österreichischen E-Wirtschaft 15 Mrd. Schilling eingespart und die Kilowattstunde um 20 Groschen billiger sein könnte. Seine

Diagnose: "Die ,rote` Verbundgesellschaft und die ,schwarzen` Landesgesellschaften können oder wollen nicht kooperieren, aber der freie Markt wird auch dieses Problem lösen".

International orientieren sich die Unternehmen an den Kundenwünschen. Energieunternehmen bieten maßgeschneiderte Lösungen an, extra für die Stahlindustrie, extra für die Papierindustrie.

Herbert Lechner von der Energieagentur hofft, daß sich in Österreich doch noch wirtschaftliche Vernunft durchsetzt und die Elektrizitätsunternehmen freiwillig eine gemeinsame "Netzgesellschaft" und

eine gemeinsame "Strombörse" gründen.

Jetzt hat Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner einen neuen Versuch unternommen, Verbundgesellschaft, die Wienstrom und die niederösterreichische EVN zur Zusammenarbeit zu bewegen.

Durch gemeinsamen Vertrieb und durch Dienstleistungen könnten die Unternehmen eine Mrd. Schilling jährlich einsparen. Der Wirtschaftsminister hofft immer noch auf eine "österreichische Lösung" im

Energiemarkt durch "learning by doing." · Wenn nicht freiwillig gelernt wird, dann diktiert der Markt die künftige Entwicklung, meint der Minister: "Die Liberalisierung löst eine Dynamik aus, der

sich auf Dauer niemand entziehen kann, auch nicht die österreichische Elektrizitätswirtschaft mit ihren delikaten Besitzverhältnissen."Õ

Ferdinand Krenn ist Mitarbeiter der ORF-Parlamentsredaktion