Zum Hauptinhalt springen

"Im europäischen Kontext denken"

Von Beatrix Neiss

Wirtschaft

Anlässlich des Jahreswechsels bat die "Wiener Zeitung" Professor Herbert Krejci, Doyen der österreichischen Wirtschaft, zu einer kurzen Analyse der österreichischen Wirtschaftspolitik sowie zu den Kosequenzen der Globalisierung.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"W. Z.": Was bedeutet der Euro für Österreichs Wirtschaft?

Krejci: Trotz aller Unkerei ist meiner Ansicht nach der Euro im Bewusstsein der Menschen akzeptiert. Die Anlaufschwierigkeiten werden nach ein paar Wochen überwunden sein. Der Schilling war für eine ganze Generation der Beweis für Fleiß und Aufbauwillen. Jetzt sind wir mit dem Euro auf einer internationalen Schiene.

"W .Z.": Ihrer Meinung nach soll man den Menschen die Angst vor Neuem nehmen, nicht verstärken. Wie ist dies punkto Globalisierung zu sehen?

K: Ich bin für diese Frage sehr dankbar. Einerseits sollte man ein positives Bewusstsein erzeugen, aber andererseits muss man Verständnis für die Ängste der Menschen haben - und die können mit politischer Zielsetzung auch ganz bewusst geschürt werden. Daher bin ich der Meinung, dass man die so genannten Globalisierungsgegner Ernst nehmen muss. In einem sachlichen Gespräch, das möglichst ohne Polemik von beiden Seiten geführt wird und das auch die Schattenseiten weder verdeckt noch verkleinert.

"W. Z.": Wo sind letztendlich die positiven incentives für die österreichische Wirtschaft?

K: Ohne Zweifel kann man sagen, dass sich diverse Befürchtungen nicht bewahrheitet haben. Wir haben neue Märkte gewonnen und sind durch den Beitritt zur Union in den großen Markt hineingestoßen.

"W. Z.": Wie sieht diese Analyse im Falle der Osterweiterung aus?

K: Es zeigt sich schon jetzt - bestätigt durch eine Fülle von Meinungsbefragungen - dass in den offenbar am ärgsten betroffenen Regionen, also Grenzgebieten, die Angst vor der Osterweiterung gar nicht so ausgeprägt ist. Natürlich gibt es auch Probleme. Aber die sind nicht eine Folge der Globalisierung, sondern ein regionalpolitisches Problem. Ein positives Beispiel ist das Burgenland, das mit einem ziemlich hohen Optimismus in diesen europäischen Integrationsmechanismus hineingeht.

"W. Z.": Was halten Sie von der Temelín-Diskussion?

K: Meiner Ansicht beherrschen leider immer noch Vorurteile die Themen. So ist es auch in der causa Temelín. Diesbezüglich ist ein riesiger Aufklärungsbedarf vonnöten, der nichts mit der Kernenergie zutun hat. Ich bin der Ansicht, dass anti-tschechische Ressentiments aus vergangenen Zeiten mitschwingen. Hier wäre es notwendig, dass von beiden Seiten ein ruhiger, vernünftigen Dialog stattfindet. Das setzt allerdings voraus, dass die Spitzenpolitiker nicht in einem negativen Sinn anheizen. Die so genannten kleinen Leute haben sich immer schon - jenseits der politischen Polemik und den von oben geschürten Hasstiraden - hervorragend miteinander verstanden.

"W. Z.": Sie sagten einmal, der Staat ist kein Selbstbedienungsladen. Was bedeutet das im internationalen Kontext?

K: Das bedeutet ganz konkret, dass in Konzernspitzen das System des nachhaltigen Wirtschaftens viel mehr als Führungsprinzip bedacht und umgesetzt werden muss. Ich bin ein ganz entschiedener Gegner des ausschließlich auf den shareholder-value ausgerichteten Denkens. Das entspricht auch nicht der Tradition der sozialen Marktwirtschaft. Weiters fehlt die gelebte ethische Haltung der internationalen Konzerne.

"W. Z.": Sind die Österreicher reif, in größeren Dimensionen zu denken?

K. Internationalisierung ist ganz sicher eine Frage der Bildung und Bildungspolitik. Ich glaube, dass heute eine jüngere Generation viel internationaler denkt. Es sind gewissermaßen zwei Heimaten vorhanden. Eine kleinere, die wir in unserem Umkreis haben. Wir sollten nicht die Kraft des Regionalpatriotismus unterschätzen. Es gilt, diesen in einen größeren, europäischen Kontext einzubauen und irgendwann einmal in einen internationalen Rahmen.

"W. Z.": Wie kann man die Frage der internationalen Finanzströme beantworten?

K: Vernünftige Stimmen sagen, dass die internationalen Finanzströme ohne Transparenz und Kontrolle fließen. Diese Folge der Vernetzung und Technologie erfüllt so manchen mit Sorge, weil oft ganz kleine, sehr elitär bündige Gruppen, nicht nur über das Schicksal von Arbeitsplätzen, sondern auch letztlich über das Schicksal von Ländern entscheiden. Es gibt hier noch keine realistische Antwort, die von einem breiten Konsens getragen wird. Jeder hat nur die nationalen Interessen im Auge, man sieht, dass die internationale Vernetzung nur in den Hirnen und in Wirklichkeit sehr langsam vorankommt.

"W. Z.": Sind Sie für Visionen?

K: Ich bin sehr dafür, dass es Visionen gibt. Aber der Visionär muss wissen, dass der Weg zur Realisierung mit vielen Steintrümmern gepflastert ist - und die können einem manchmal sehr wehtun.

Der frühere ÖVP-Politiker und Generalsekretär der Industriellenvereinigung Prof. Herbert Krejci ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.