Die Bundesländer würden auf einem starren System beharren, kritisiert ein Experte.
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Föderalismus. Das ist kein Wort, das man üblicherweise im Deutschkurs lernt, schon gar nicht in einem Anfängerkurs. Für die nach Österreich geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer handelt es sich dabei aber durchaus um ein hilfreiches Wort, werden sie doch bereits kurz nach ihrer Ankunft mit dem föderalen System ihres neuen Gastlands konfrontiert.
Die für die meisten Ukrainer gerade in der Anfangszeit überlebensnotwendige Grundversorgung, also jene Transferleistung, die den Geflüchteten für die Bedürfnisse des täglichen Lebens zusteht, ist im Rahmen einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern (ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz) geregelt - Reibungsflächen sind zwischen den einzelnen Akteuren hier vorprogrammiert.
Es sei "notorisch in diesem Bereich, dass sich Bund und Länder da oft aufeinander ausreden", sagt dazu Herbert Langthaler von der NGO Asylkoordination. Nach dem Motto "Hab ma immer scho so gmacht" und "Da könnt ja jeder kommen" würden manche Bundesländer im Bereich der Grundversorgung auf einem starren System beharren, meint der Experte: "Es wäre durchaus gescheit gewesen, die Probleme gemeinsam aufzuarbeiten."
"Sie sprechen mir aus der Seele", meint Michael Takács, der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, darauf angesprochen, dass sich die einzelnen Akteure aus Bund und Ländern häufig aufeinander ausreden würden: "Damit beschäftige ich mich jeden Tag." Jedoch sei durch "permanente Gespräche, durch permanentes Lästigsein" mittlerweile schon vieles besser geworden, meint Takács.
Ein Problem sieht Langthaler auch bei der geringen Höhe der Grundversorgung, die pro Monat wenige hundert Euro ausmacht. Da müsse etwa "eine Frau mit zwei Kindern mit 700 Euro alles abdecken. Das geht halt beim besten Willen nicht." Sein Fazit: Ein "menschenwürdiges Leben in Österreich" sei mit der derzeitigen Ausgestaltung der Grundversorgung nicht möglich.
Immerhin haben sich die für das Flüchtlingswesen zuständigen Landesräte und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) auf eine Erhöhung der Grundversorgung um 60 Euro pro Monat geeinigt, was zumindest die derzeit sehr hohe Inflation abfedert. Eine dauerhafte Lösung für die derzeit rund 73.000 Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich in Österreich bei der Polizei registrieren ließen, ist das aber kaum.
Zusätzliche Hürdenin Oberösterreich
Der Flüchtlingsföderalismus bedeutet zudem, dass es in einzelnen österreichischen Bundesländern zusätzliche bürokratische Hürden für die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer gibt.
Insbesondere ist Letzteres in Oberösterreich der Fall. Hier gilt nämlich bei der Auszahlung der Grundversorgung eine sogenannte Bemühungspflicht. Das heißt, dass einem Geflüchteten die Grundversorgung entzogen werden kann, wenn er "die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung verweigert", wie in § 3 des dortigen Landesgesetzes heißt.
Einigen geflüchteten Ukrainerinnen, die es nach Oberösterreich verschlagen hat, war daher zuletzt unklar, ob sie sich vor ihrem Antrag auf Grundversorgung beim AMS melden müssten, wie eine ehrenamtliche Flüchtlingshelferin mit ukrainischen Wurzeln unlängst im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erzählt hat.
Unklarheiten umBemühungspflicht
Ein Sprecher des oberösterreichischen Integrationslandesrats Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) verneint das aber. Es sei "nicht notwendig, die Bemühungspflicht bei der Erstantragsstellung nachzuweisen".
Erst später sei die Bemühungspflicht für jene Personen zu erbringen, "die auch als ‚arbeitsfähig‘ eingestuft werden, wobei wir hier im Fall ukrainischer Vertriebene eine sehr tolerante Vorgangsweise bei der Nachweispflicht für die ersten Wochen wählen", heißt es aus dem Büro des Landesrats.
Die genannten Unklarheiten rund um die Bemühungspflicht zeigen auch, dass es oft auch an der Kommunikation ihrer Rechte und Pflichten an die betroffenen Ukrainer hakt.
So haben österreichische Behörden und NGOs zwar mittlerweile einige Grundsatzinformationen auf Ukrainisch auf ihre Websites gestellt, jedoch fehlt eine zentrale Informationsseite, die Geflüchteten durch das Dickicht der Institutionen im föderalen Österreich führt.
Man arbeite dazu an einer Lösung, meint dazu Michael Takács. Gewissermaßen haben sich die Ukrainerinnen und Ukrainer bereits an den österreichischen Föderalismus angepasst: Für jedes Bundesland gibt es eigene Social-Media-Gruppen, wie auch der Flüchtlingskoordinator betont. In diese Gruppen möchte Takács zukünftig auch Regierungsinformationen - abgestimmt auf alle neun Bundesländer, versteht sich - kommunizieren lassen.