Franz Voves hat als SP-Spitzenkandidat 99,56 Prozent der Stimmen hinter sich, allerdings nur bei seinen Parteitagsdelegierten. Rekorde sind teuer.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Politische Parteien unterziehen ihre Chefs gern unblutigen Folterritualen, genannt Parteikongresse. Die Obmänner und -frauen absolvieren solche Herausforderungen am glänzendsten dann, wenn ein wichtiger Wahlgang bevorsteht, vor denen sich die Delegierten fürchten. Hinter der Bühne mag es rumoren und krachen, vor ihr rücken sie zusammen. Solche Parteitage sind Mondfenster der innerparteilichen Harmonie.
Der steirische Landeshauptmann Franz Voves wurde schon im vergangenen Oktober mit 99,56 Prozent als Spitzenkandidat bestätigt. Auf ein derartiges Ergebnis wären Diktatoren wie Leonid Breschnjew, Nicolai Ceausescu oder Deng Xiaoping stolz gewesen. Der Vergleich hinkt in einem entscheidenden Punkt: Man darf annehmen, dass bei der Stimmenabgabe und -auszählung in Graz alles mit rechten Dingen zugegangen ist, was im Fall der drei anderen genannten Herren nie jemand behauptet hätte.
Auch Heinz-Christian Strache sitzt als Chef der Wiener FPÖ seit Juni auf 99,12 Prozent Zuspruch seiner Parteifreunde. Selbst Alfred Gusenbauer erhielt 2002, als es wegen der Nationalratswahl ganz eng für den Kanzler wurde, sagenhafte 99,6 Prozent Zustimmung.
Der Kampf um die Geschlossenheit, die besonders in der SPÖ als äußerst wertvoll empfunden wird, ist keineswegs gratis. Zwar schaffte der SPÖ-Vorsitzende Werner Faymann nach den Serienniederlagen seiner Partei beim Parteitag in Vösendorf im Juni noch immer 93,8 Prozent. Das ist deutlich weniger als bei seiner Nominierung, aber noch herzeigbar. Der dafür gezahlte Preis schlägt jedoch auf die Bundespolitik durch.
Beispiel Krankenhäuser: Kaum hatte der Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) einen vernünftigen Diskussionsbeitrag zur Rationalisierung der Krankenhäuser-Struktur geliefert, heulte zunächst Franz Voves in der Steiermark auf, weil 23 von 27 öffentlichen Spitälern des Landes weniger als 300 Betten haben und rationalisierungsgefährdet sind. Hierauf meldete sich Faymann rechtzeitig zum Bundesparteitag der SPÖ, dass Spitalsschließungen natürlich nicht in Frage kämen. Mittlerweile aber, und das ist der eigentliche Erdrutsch, plakatiert die ÖVP, deren Obmann Josef Pröll in seiner Funktion als Finanzminister eine Senkung der überhöhten Gesundheitskosten unter Beteiligung der Bundesländer eigentlich begrüßen müsste, an jeder zweiten Tramhaltestelle im "roten" Wien, dass die Spitäler vor dem Zugriff der SPÖ geschützt werden müssten. Klar - die neue Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek, mit 96 Prozent auf den Schild gehoben, führt auch keinen Wahlkampf mit Spitalsschließungen.
Der "Linksruck", den zunächst Faymann rein rhetorisch vollzogen hat, scheint den Koalitionspartner ÖVP so enerviert zu haben, dass in deren Lager alles vermieden wird, was nach nicht-links aussehen könnte. Also bleibt das Budget 2011, das sehr wenig "soziale Wärme" ausstrahlen wird, unter Verschluss. Auch Pröll traut sich nicht, den ÖVP-Landesparteien in der Steiermark und in Wien die Chancen durch Wahrheit zu verpatzen.
Politisch wird also die Musik auch in der ÖVP in mehreren Tonarten gleichzeitig gespielt, wobei die Zielrichtung der reine Populismus ist. Das Konzert ist mittlerweile Open Air, setzt aber meist schon mit der "Mobilisierung" ein, die auf Parteitagen betrieben wird, weil auf ihnen die Delegierten stellvertretend für die Wählerschaft funktionieren sollen.
Der Autor ist Sprecher der
"Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt,
Presse und Salzburger Nachrichten.