Die EU hat Nachholbedarf in der Wettbewerbsfähigkeit und möchte daher unter anderem die Ausgaben für Forschung und Entwicklung steigern. Dass auch die Embryonen-Forschung mit EU-Geld gefördert werden soll, sorgt im Europäischen Parlament für eine heftige Debatte, die kontroversieller nicht sein könnte. Der massiven Ablehnung durch Christdemokraten und Grüne setzt SPÖ-EU-Abgeordnete Karin Scheele im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" mögliche hoffnungsvolle Ergebnisse für Patienten entgegen.
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Österreich, Deutschland, Dänemark, Irland, Frankreich, Spanien und Portugal haben die Forschung mit embryonalen Stammzellen verboten. Dessen ungeachtet soll es künftig dafür EU-Geld geben, dass für medizinische Zwecke - neben Stammzellen - auch an überzähligen menschlichen Embryonen geforscht wird. Zumindest das EU-Parlament hat sich diese Woche, wie berichtet, mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen. Dagegen sind vor allem die so genannte "Vatikanfraktion" der EVP und die Grünen. Der österreichische Grüne Johannes Voggenhuber sieht in der Frage "einen schweren ethischen Grundkonflikt". Dass dieser durch finanzielle Förderung entschieden werde, sei "unerträglich". In dieser Grundsatzfrage sei kein Kompromiss möglich. Voggenhuber vermutet, dass nach dem Zusammenbruch der "New Economy" die EU-Kommission den wirtschaftlichen Wettbewerb in der Biotechnologie fortsetzen möchte. Hier hätten sich "die ökonomischen Lobbies durchgesetzt".
Neue Therapien möglich
Karin Scheele, EU-Delegierte der SPÖ, die sich auf dem Gebiet der Biotechnologie in Gentechnik-Fragen profiliert hat, sieht die Sache entspannter und versucht zu beruhigen. "Wirtschaftliche Interessen waren nirgendwo ausschlaggebend"; gerade die Sozialdemokraten seien weniger eine Zielgruppe für Wirtschaftslobbies. "Niemand ist vor der Biotechnologie in die Knie gegangen", betont Scheele im Gespräch. Hat sie sich in der Gentechnik für Transparenz und die Interessen der Konsumenten eingesetzt, so geht es ihr nun darum, "was bringt es den Patienten". Sie habe sich von Wissenschaftern davon überzeugen lassen, dass durch zusätzliche Embryo-Forschung Therapien gegen die Parkinsonsche Krankheit, Leukämie oder etwa Herzinfarkt gefunden werden könnten. Doch auch hier scheiden sich die Geister der Experten.
Kein Geld für Embryos
Scheele nennt "höchste Auflagen" - die Zustimmung der Eltern und kein Geld dafür, dass diese einen Embryo für Forschungszwecke zur Verfügung stellen - als Bedingungen, damit kein Missbrauch betrieben werde. Und sie gibt zu bedenken: "Sollte dank Embryo-Forschung tatsächlich ein Medikament gegen Parkinson entwickelt werden, wird das dann auch aus ethischen Bedenken abgelehnt?".
Dass die umstrittene Forschung an Embryonen - trotz Verboten in einzelnen Mitgliedstaaten - aus den EU-Mitteln finanziert werden solle, ist für Scheele eine Frage der Gemeinschaft. Für Voggenhuber würde dagegen die nationale Souveränität in einer ethischen Frage überstimmt werden.
Die europäischen Volksvertreter haben in der Frage nur eine beratende Funktion. Der Ball liegt nun beim Rat der EU-Wissenschaftsminister, der ebenfalls zerstritten ist. Eine Einigung erscheint dort nach der emotionalen Auseinandersetzung im Europa-Parlament noch unwahrscheinlicher. Die nationalen Rechtsvorschriften wären jedenfalls nicht betroffen.