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Knapp 15 Jahre sind vergangen, seit die Concertación, der Zusammenschluss von 17 politischen Gruppierungen - damals mit dem Christdemokraten Patricio Aylwin an der Spitze -, die Pinochet-Ära beendete und Chile zurück in demokratische Strukturen führte. Seither ist einiges in Bewegung geraten, die extremen sozialen Unterschiede konnten allerdings noch nicht beseitigt werden. Chile, das am weitesten von Europa entfernte Land Südamerikas, gilt als wirtschaftlich stabil, verfügt über eine bemerkenswerte touristische Infrastruktur und über eine atemberaubend schöne und vielfältige Landschaft.
"Chili" - Land des Südens" - so haben es die Inkas einst genannt. Von der Grenze zu Peru im Norden bis zu den südlichen Ausläufer muss man 4.300 Kilometer zurücklegen. An seiner schmälsten Stelle ist Chile hingegen nur 80 Kilometer breit. In diesem eigenwillig geformten Land - im Norden geprägt von unwegsamen Bergregionen und dem trockensten Gebiet der Welt, der Atacama-Wüste, im Süden von kalten Nebelwäldern, vergletscherten Gipfeln und zersplitterten Archipelen - leben heute an die 15 Millionen Menschen. Etwas weniger als die Hälfte davon, nämlich 6 Millionen Einwohner, zählt mittlerweile die Hauptstadt von Chile - Santiago. Sie liegt im Herzland, nicht weit entfernt von den berühmten Weinregionen des Landes.
Colchagua und Curicó Valley - Die Weinberge zwischen San Fernando und Curicó
Der Weinbau in Chile geht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Einer Legende nach sollen die spanischen Eroberer einst Rosinenkerne eingepflanzt und damit zur Entstehung des ersten Landweins beigetragen haben. Die europäischen Spitzensorten wurden erst Mitte des 19. Jahrhunderts gesetzt - man führte Ableger französischer Reben ein, die den chilenischen Wein verbessern sollten. Zugleich engagierten einige zukunftsorientierte Gutsbesitzer die ersten Weinexperten aus Frankreich, die den Anbau und die Verarbeitung der Trauben überwachen sollten. Der Humboldt-Strom, der in der Regel für heiße Tage und kalte Nächte sorgt, bot für den Weinbau in Chile optimale Bedingungen.
Sowohl die Zona Centro Norte nördlich von Santiago als auch die Zona Valle Central im Süden der Hauptstadt gehören heute zu den wichtigsten der fünf Weinregionen des Landes. "Die Frucht der Weinberge Chiles gehört mit zum Feinsten in der Welt" - bestätigte Hugh Johnson auch in einem seiner berühmten Weinführer. Reduzierte Erträge, modernste Gerätetechnik und die Lagerung der edlen Wein in Eichenfässern trugen zu dem Ruf Chiles als Weinland in den vergangenen Jahrzehnten bei.
In Curicó, 200 Kilometer von Santiago entfernt, hat sich Ende der 1980-er das Weingut Montes angesiedelt. Und auf den Spuren des Unternehmer-Quintetts, das den Betrieb gegründet hat, kann man sich auf die Spuren des chilenischen Weins und seiner Geschichte begeben.
Ein Fahrt durch Weintäler und -berge von Chile ist ein beeindruckendes Erlebnis. Sattes Grün begleitet den Reisenden unterwegs in den kühleren Süden des Landes. Eines der vielen Weingüter, das in der Umgebung von Curicó seinen Hauptsitz hat, wurde von dem Önologen Aurelio Montes, dem Marketingexperten Douglas Murray, den Generalisten Pedro Grand und Augustin Hunneus und dem finanzerprobten Alfredo Vidaurre gegründet. Neben preiswerten Weinen hat Chile in den letzten Jahren verstärkt auf Spitzenweine gesetzt - ein Trend, dem man auch im Weingut Montes von Anfang an nachgegangen ist. Die Zentrale des Winzerbetriebes ist eine architektonische Mischung aus eleganten Verweisen auch samt Kellerei.
Der Engel von Curicó
Alfredo Vidaurre taucht hinter einer der Schiebetüren auf. Er wurde für diesen Tag auserkoren, um die Führungen durch den Weinbaubetrieb zu übernehmen. Mit routinierter Geste bedeutet er, dass die Reise in die Welt des chilenischen Weines bei den Abfüllmaschinen beginnt.
An guten Tagen werden in dem großzügig angelegten Hangar von Curicó an die 2.400 Flaschen pro Stunde gefüllt und lagerfertig gemacht. Diese Kapazität nützt man am Weingut allerdings nur während der Lesezeit und kurz danach voll aus. Dann geht es wieder etwas ruhiger zu, meint Alfredo Vidaurre. 330.000 Kisten zu
12 Liter verlassen jährlich das Weingut. Das sind 4 Millionen Flaschen Wein - das absolute Maximum, das sich die Eigentümer von Montes gesetzt haben. Denn - und damit ist begibt man sich auch schon in das neue Weinzeitalter für Chile - mit dieser Menge und Auslastung kann man - so der Experte - im Feld der Spitzenproduzenten durchaus mitmischen.
Der Finanzchef des Unternehmens führt zügig durch die Lagerhallen in jenen kleinen Kellerabschnitt, wo die Rotweine im Eichenfass ihrer Weiterverwertung harren. Als Symbol und Maskottchen für diesen Raum hat man eine Engelsstatue unter die Fässer gemischt. "Das ist unser Schutzengel", scherzt Alfredo Vidaurre - und damit auch wirklich nichts passieren kann, ließ man diesen Schutzengel vorsichtshalber auch als Motiv auf die Wein-
etiketten drucken.
Aberglaube ist zwar die Sache der Weinexperten von Curicó nicht - aber sicher ist sicher. Und ebenso sicher, wie die Engelskulptur über das Wohlergehen des edlen Tropfens wacht, ebenso sichere Hand und Instinkt hat man in den letzten Jahren in den Weinanbauregionen Chiles bewiesen. Auf 550 Hektar lassen Alfredo Vidaurre und Partner etwa zehn verschiedene Weinsorten anbauen - sehr stark vertreten der Cabernet Sauvignon, der Merlot und der Sauvigon Blanc.
Die neuen Weine von Chile
Mit elegantem Schwung lässt Alfredo Vidaurre den Wein in seinem großen Schwenker tanzen. Montes M und Montes Alpha M sind die beiden Weinlinien, die man in dem Winzerbetrieb verfolgt. Wie nicht schwer zu erraten, ist der Zusatz "Alpha" als besonders Prädikat zu verstehen.
Die Trauben für dieses sehr ambitionierte Produkt kommen aus dem Apalta-Valley in Colchagua. Es ist sozusagen ein Tal im Tal, in dem ein spezielles Mikroklima vorherrscht. Von der Form erinnert der Lauf des Tals an einen Halbmond, der im Norden auf felsige Berglandschaft stößt. Im Hintergrund überragen die Anden das von Granitbergen und Eichenbäumen gesäumte Tal. Spektakulär soll aber nicht nur die Lage der Weinberge sein, spektakulär soll auch das Ergebnis der Bemühungen sein.
"Die wirklich guten Rotweine stammen bei uns aus dem Maipo-Tal und im Conchagua Tal gemacht" , erklärt Alfredo Vidaurre die regionale Aufteilung.
Auf den ersten Blick scheint die Weinkonsumation in Chile nicht von besonders aus dem Rahmen fallenden Prozentzahlen begleitet zu sein. Doch Entwicklung muss man etwas genauer betrachten, meint der Gastgeber.
Die Trinkgewohnheiten in Chile haben sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahre stark verändert. Früher kamen auf eine Person durchschnittlich 50 Liter Wein pro Jahr. Das war eine sehr hohe Konsumation - ähnlich wie in Spanien, Frankreich und Argentinien.
Aber die Menschen, die bei Wein getrunken haben, das waren jene aus den untersten Einkommensschichten. Sie tranken der Wirkung wegen, um betrunken zu werden. Geschmack spielte da keine Rolle, nur Alkoholgehalt.
Das hat sich verändert - jetzt trinken diese Menschen eher Coca-Cola, Bier oder Tee. Wein ist das Getränk der mittleren und höheren sozialen Schichten geworden. Und die fragen nach Qualität. Die Pro-Kopf-Konsumation an Wein ist damit drastisch gesunken - auf etwa 20 Liter pro Jahr -, aber die Konsumenten sind andere und daher hat sich auch der Wein verändert.