Wer geglaubt hatte, dass der 11. September des Jahres 2001 den Bewegungs- und Reisetrieb nachhaltig eindämmen würde, hat nicht mit der Gewöhnungs- und Anpassungsfähigkeit der Spezies Mensch gerechnet. Was ist schon nachhaltig - am ehesten der Terror selber.
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Er setzte sich nach dem Massaker von New York in Madrid und London fort, hängt als omnipräsentes Damoklesschwert nicht nur über westlich strukturierten Industriestaaten, sondern forderte soeben in Pakistan seinen Tribut. Die Gewalt überlebt selbstverständlich auch in ihren klassischen Formen etwa des Bürgerkriegs. Im Moment ist das einstige Urlauberparadies Kenia dabei, im Chaos zu versinken.
Die Angst davor scheint aber beweglich zu sein wie eine frei floatende Währung. Touristen-Heere sind so flexibel geworden wie die mit Laptops bewehrten Sendboten der globalen Marktwirtschaft. Ziele sind beliebig austauschbar, das Prinzip bleibt - gereist muss werden.
Wenn Kenia nichts mehr bietet, dann steht nach der Tsunami-Katastrophe schon wieder Thailand zur Verfügung - und im nächsten Jahr spricht vielleicht niemand mehr über das Kurdenproblem der Türkei.
Außerdem sind komfortable Urlauberghettos weitgehend resistent gegen alle Widrigkeiten außerhalb der bewachten Zäune. Die Tourismusorganisationen passen die Katalogpreise blitzartig jeder neuen Lage an. Der Nachsaison-Tarif hat nicht nur mit der Sonne, sondern auch mit Bomben zu tun.
Ein paar Supervögel mehr oder weniger
In wenigen Tagen werden die beiden Flugzeugproduzenten Boeing und Airbus-EADS mit sensationellen Verkaufszahlen herausrücken, bei denen es nur noch darum geht, wessen Rekord noch größer ist. Mit 1413 Bestellungen von Verkehrsflugzeugen im Jahr 2007 hat der amerikanischer Konzern alles übertroffen, was es in seiner Unternehmensgeschichte gab - und hofft, damit knapp vor dem europäischen EADS-Konzern zu liegen. Dieser will seine Bilanz am 16. Jänner im französischen Toulouse präsentieren. Es kann sich dabei nur um ein paar Supervögel mehr oder weniger im Vergleich zu Boeing handeln.
Rund 2800 Orders für die Produkte der zwei Konzerne (fünf Mal so viel wie im Jahr 2003), rund 900 im Vorjahr ausgelieferte Maschinen - die Luftfahrtbranche boomt. Die auf sie bezogene ökologische Debatte bleibt hingegen am Boden und kommt nicht vom Fleck. Kerosin wagt nach wie vor niemand zu besteuern. Über den Wolken ist die selektive Wahrnehmung grenzenlos.
Mit den von den westlichen Wirtschaftsräumen kassierten Ölgeldern leisten sich Staaten wie Dubai oder Saudiarabien Großaufträge in der Höhe von vielen Milliarden und finanzieren damit die westlichen Flugzeugkonzerne mit. Zudem stellen Araber, Chinesen, Russen und Schwellenländer Südostasiens einen immer größer werdenden Anteil des Reisepublikums. Bloß der Flugzeugbau ist noch monopolisiert, der Betrieb ist zu einem weltweiten Geschäft geworden, das nach eigenen Gesetzen funktioniert und kaum zu bremsen ist.
Es ist gar nicht gesagt, dass Amerikaner und Europäer ihre Sonderstellung in der Flugzeugindustrie behalten, sofern man nicht in Jahren, sondern Jahrzehnten rechnet. Die von Airbus und Boeing errungene Dominanz ließe sich durch Kapitalverflechtungen unterwandern oder durch eine ernsthafte Konkurrenz - zu der irgendwann China in der Lage sein könnte - anbohren.
Das ist im Moment zwar kaum vorstellbar, aber vor 15 Jahren hätte auch niemand geglaubt, dass der größte Autobauer dereinst weder in Europa noch in den USA, sondern mit Toyota in Japan zu finden sein würde.