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Der Wahl des Außenseiters Mohammed Khatami zum Präsidenten hat im Iran vor zwei Jahren eine politische Zeitenwende eingeleitet, die im Erdrutschsieg der Reformkräfte in der Parlamentswahl vom
vergangenen Freitag ihren bisher deutlichsten Ausdruck fand. Das Bündnis des Zweiten Khordad gewann nach vorläufigen Ergebnissen 137 der 290 Sitze, die dem Klerus nahe stehenden Kandidaten dagegen
nur 44. Unabhängige Kandidaten erhielten zehn Sitze und über 65 Mandate wird in Stichwahlen entschieden.
In 34 Wahlkreisen war in der Naht zum Montag die Auszählung noch nicht abgeschlossen, darunter 30 in Teheran. 32 Millionen der 38,7 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.
Der Aufstieg der für eine Liberalisierung vor allem des alltäglichen Lebens eintretenden Reformer geht auf eine kapitale Fehleinschätzung der seit der islamischen Revolution vor 21 Jahren
bestimmenden Mullahs zurück. Ihr Kandidat Ali Akbar Nategh-Nouri begrüßte 1997 die Zulassung Khatamis als Präsidentschaftsbewerber mit dem Satz, es wäre doch ganz nett, "das Feuer ein wenig
anzuheizen". Wahlen im Iran waren damals eine vom allmächtigen Wächterrat durch eine rigide Kandidatenselektion vorentschiedene Angelegenheit. Niedrige Wahlbeteiligungen waren die Folge. Doch mit der
Zulassung Khatamis, der zuvor Kulturminister war und vor allem der Jugend und den Frauen mehr Freiheiten versprach, änderte sich das schlagartig. Er bekam am 23. Mai 1997 · im iranischen Kalender der
2. Khordad · 20 Millionen der 29 Millionen Stimmen. Nategh-Nouri erntete den Spott, er habe das "Feuer so stark angeheizt, dass das Haus abgebrannt ist".
Khatami gab den Menschen die heiß ersehnten kleinen Freiheiten: Händchen haltende Paare tauchten im Stadtbild auf, Frauen ließen den Tschador mehr und mehr hinter den Haaransatz rutschen. Die
verbotenen Satellitenschüsseln kehrten diskret auf die Hausdächer zurück. Zeitungen wagten es zunehmend, Kritik am Klerus zu formulieren.
Die Hardliner in Politik und Justiz reagierten mit aller Härte. Zeitungen wurden verboten · das Khatami nahe stehende Kulturministerium lizenzierte neue · Reformer wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Jeder Schlag der Konservativen machte ihre Gegner aber zugleich populärer und Khatami sogar zum Volkshelden.
Der Wächterrat schwenkte in den vergangenen Monaten auf eine moderatere Linie um. Reformkandidaten wurden nicht mehr wie bisher von Wahlen einfach ausgeschlossen und so die konservative
Parlamentsmehrheit garantiert. Die Reformer müssen nun die Erwartungen erfüllen, die ihre Wähler in sie setzten: Mehr individuelle Freiheiten, Pressefreiheit, Reduzierung des geistlichen Einflusses
auf Alltag und Politik. "Die Menschen, die Veränderungen wollten, haben für die Reformer gestimmt und erwarten nun Taten," mahnte ein führendes Mitglied der Bewegung, Achmed Borkani.