Rafsanjani: Führungsriege ist "inkompetent und ignorant".
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Teheran/Wien. Die iranische Führung verstärkt mobile Militär- und Kontrollposten in der Hauptstadt Teheran. Der Grund: Die Stimmung im Land ist nach dem Ausschluss von Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani von der Präsidentenwahl angespannt. Die Revolutionsgarden und die paramilitärischen Bassijmilizen sind laut Augenzeugenberichten omnipräsent. Die Botschaft an die Bevölkerung: Widerstand gegen das System, wie es ihn nach der umstrittenen Wiederwahl von Mahmoud Ahmadinejad im Jahr 2009 in Form von monatelangen Straßenprotesten gab, wird im Keim erstickt.
Am Donnerstag meldete sich Ex-Präsident Rafsanjani erstmals nach seiner Disqualifikation von der kommenden Präsidentschaftswahl am 14. Juni durch den Wächterrat zu Wort. Er beschuldigte laut Kalame, einer oppositionellen Webseite, die Führungsriege, "inkompetent und ignorant" zu sein. "Ich glaube nicht, dass das Land schlechter gemanagt werden könnte, als es nun der Fall ist. Ich möchte deren Propaganda und Attacken gegen mich nicht stoppen, aber ihre Ignoranz ist verheerend. Verstehen die denn nicht, was sie anstellen?"
Irans Oberster Geistlicher Führer Ali Khamenei, der in allen Belangen das letzte Wort hat und die Entscheidung des Wächterrats revidieren könnte, hat sich zur Disqualifizierung Rafsanjanis noch nicht geäußert.
Unterdessen haben Würdenträger, Abgeordnete und einflussreiche "Bazari" (Geschäftstreibende) Rafsanjani ihre Wertschätzung entgegengebracht. Ihnen allen war der Schock über die Disqualifizierung des 78-jährigen iranischen "Kardinals Richelieu", der einer der Gründungsväter der Islamischen Republik war, ins Gesicht geschrieben. Das hatte es in der 34-jährigen Geschichte des schiitischen Gottesstaates noch nicht gegeben, dass der Wächterrat einem der einflussreichsten Männer des Landes die Approbierung verweigert.
Seine Tochter Faezeh berichtete, dass ihr Vater bereits vor fünf Tagen angerufen und auf den drohenden Ausschluss hingewiesen worden war. Er solle seine Kandidatur freiwillig zurückziehen, so die Aufforderung des Wächterrates. Rafsanjani lehnte dies ab, er will aber auch nicht gegen seinen Ausschluss berufen.
Seine Anhänger und auch große Teile der Bevölkerung können die inoffizielle Begründung für Rafsanjanis Ablehnung - nämlich dass er zu alt sei - nicht verstehen. Ali Khamenei ist 73, und der Chef des Wächterrates, der Rafsanjani als "zu alt" bezeichnete, ist gar 87. Außerdem ist Rafsanjani erst im Vorjahr von Khamenei als Chef des Schlichtungsrates, der über dem Wächterrat steht, bestätigt worden.
Gegessen sei die Sache noch nicht, meint ein Politologe, der anonym bleiben will, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Wissen Sie, zum ersten Mal ist plötzlich nur noch wichtig, wer nicht gewählt werden darf und nicht die acht Kandidaten, die eine Zulassung erhalten haben", sagt der Politologe.