Die Stände am Wiener Christkindlmarkt werden Jahr für Jahr von einem privaten Verein vergeben - ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes könnte an diesem System rütteln.
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Wien. Es soll ja Menschen geben, die schon im Jänner über Weihnachten nachdenken. Einer davon ist Akan Keskin, er macht das aber aus beruflichen Gründen. Keskin ist Obmann des Vereins zur Förderung des Marktgewerbes, der seit 2006 die Standplätze am Wiener Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus vergibt. Bis dahin waren die Hütten nach einem Vormerksystem zugeteilt worden. Dabei wurden jene Betreiber bevorzugt, die bereits im Jahr zuvor einen der begehrten Standplätze bekamen. Ein Linzer Ehepaar hatte dagegen vor dem Verfassungsgerichtshof geklagt und recht bekommen.
An die 100 neue Standlerinnen und Standler hat Christlkindl-
markt-Organisator Keskin in seiner bisherigen Amtszeit gezählt, was einen besseren Branchenmix mit sich brachte. Der gebürtige Istanbuler muss alljährlich zunächst um ein Grundstücksübereinkommen ansuchen. Mehrere Stellen, darunter die betroffenen Magistratsabteilungen sowie der Bezirk, reden dabei mit.
Die Stände werden nach bestimmten Kriterien vergeben, so muss das Angebot der Bewerber vor allem zum Erscheinungsbild des "Wiener Weihnachtstraums" passen. "Im Jänner geht’s schon in die nächste Runde", sagt Keskin im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Auch die Standler bekommen die Hütten - heuer sind es 151, davon 18 Gastronomiebetriebe - nur für ein Jahr zugeteilt. Keskin sieht keinerlei Anlass, etwas an der derzeitigen Vergabepraxis zu ändern.
"Knappheit dernatürlichen Ressourcen"
Nun gibt es jedoch laut "Tiroler Tageszeitung" ein Erkenntnis, das auch auf die Marktstände auf Weihnachtsmärkten Auswirkungen haben könnte. Hintergrund ist ein Streit um Strandkonzessionen in Italien, der bis zum EuGH ging und mit der Entscheidung endete. Laut Aussage des Innsbrucker Rechtsanwalts Hanns Forcher-Mayr schreibt der EuGH nun eine Ausschreibungspflicht "für alle derartigen Dienstleistungen, die im öffentlichen Raum, also auf jedem Platz oder auf jeder Promenade, stattfinden, vor". Davon seien im Grunde "jeder Kiosk, jede Badestelle, jede Würstelbude und alle Stände wie auf Weihnachts- und Ostermärkten" betroffen.
Das Erkenntnis stützt sich laut "Tiroler Tageszeitung" auf den Artikel 12 der EU-Dienstleistungsrichtlinie. Hier heißt es: "Ist die Zahl der für eine bestimmte Dienstleistungstätigkeit verfügbaren Genehmigungen aufgrund der Knappheit der natürlichen Ressourcen oder der verfügbaren technischen Kapazitäten begrenzt, so wenden die Mitgliedstaaten ein neutrales und transparentes Verfahren zur Auswahl der Bewerber an und machen insbesondere die Eröffnung, den Ablauf und den Ausgang des Verfahrens angemessen bekannt."
Laut dem Europarechtsexperten Walter Obwexer hat diese Entscheidung volle Gültigkeit für alle heimischen Märkte und Stände auf öffentlichem Boden. Obwexer zufolge wird eine ordentliche Kundmachung der Ausschreibung bedingen, dass man die Marktstände am Beispiel von Innsbruck auch in süddeutschen und Südtiroler Zeitungen ausschreibt. Zudem müssten die Ausschreibungskriterien objektiv nachvollziehbar und keinesfalls diskriminierend sein. Sehr wohl könnten darin aber zum Markttypus gehörige Kriterien festgelegt werden, wie etwa die Art der Produkte oder nicht erwünschte Kaufgegenstände. Als Ausschreiber könnte man beispielsweise festlegen, dass ein Anbieter einen gewissen Teil seiner Einnahmen sozialen Zwecken zur Verfügung stellt.
Auf das EuGH-Erkenntnis angesprochen, verweist Robert Neuner, Geschäftsführer der für den Innsbrucker Christkindlmarkt zuständigen IAI Veranstaltungsgesellschaft, auf das bereits bestehende Verfahren: "Marktstandinteressenten können sich bei uns über ein im Internet aufrufbares Bewerberformular anmelden und werden dann zu einem Hearing nach Innsbruck eingeladen. Unser Ausschreibungsverfahren wird jedes Jahr aufs Neue durchgeführt." Für den Grazer Christkindlmarkt dürfte das Urteil keine Auswirkungen haben. Vor drei Jahren wurde laut "Kleine Zeitung" der Betrieb der Märkte öffentlich ausgeschrieben. Jeder Platz wurde dabei einzeln vergeben. Die Konzessionen laufen noch bis inklusive 2018. Danach wird erneut ausgeschrieben.