EU-Finanzminister wollen mehr Fairness von Unternehmen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bratislava. Ein Ende der Steuervermeidung: Von diesem Ziel ist die EU zwar noch entfernt, doch mehren sich die Forderungen an internationale Konzerne, ihre Strategien zur Umgehung der Abgaben zu ändern. Bei einem Treffen der Finanzminister der Union in Bratislava rief der Vorsitzende der Eurogruppe erneut dazu auf. "Die Zeiten ändern sich", befand Jeroen Dijsselbloem: "Sie müssen ihre Steuern fair zahlen."
Doch sind es einige Mitgliedstaaten selbst, die es Unternehmen ermöglichen, ihre Abgaben an den Fiskus zu drücken. Dazu gehören auch die Niederlande, deren Finanzminister Dijsselbloem ist. Mit Steuerdeals machen die Behörden Firmen Appetit darauf, sich in dem Land niederzulassen. Zuletzt sind der US-Konzern Apple und Irland wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt: Die EU-Kommission hat die Absprachen zwischen den beiden als illegale Staatshilfe eingestuft und Nachzahlungen in der Höhe von 13 Milliarden Euro gefordert.
Die Regierung in Dublin will nun dagegen klagen, und laut Dijsselbloem hätten auch die Niederlande das Recht, vor den EU-Gerichtshof zu ziehen und prüfen zu lassen, ob die Kommission die Regeln korrekt angewendet habe. Trotzdem verteidigte der Minister das Vorgehen der Brüsseler Behörde. Diese hatte auch die Niederlande dazu aufgerufen, Geld einzutreiben – und zwar von der Kaffeehauskette Starbucks. Eine ähnliche Entscheidung gab es zu Luxemburg und Fiat. Das Großherzogtum hat ebenfalls dagegen Berufung eingelegt. Immerhin gehe es um lange vergangene Absprachen, und da gebe es noch "Uneinigkeit über die Interpretation" der Vorschriften, sagte Finanzminister Pierre Gramegna.
Die Kommission regte dennoch an, dass andere Staaten ebenfalls untersuchen sollen, ob sie Nachforderungen stellen können. Die nationalen Finanzbehörden prüfen dies bereits. Auch in Österreich, wie Finanzminister Hans Jörg Schelling bestätigte. Wesentliche Rückflüsse erwartet er jedoch nicht. Ähnlich skeptisch gab sich sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble.
Karussellbetrug im Visier
Da setzt Schelling größere Hoffnungen auf Maßnahmen gegen den Mehrwertsteuer-Betrug. Seit Jahren drängt Österreich dabei auf eine Regelung zur Umkehr der Steuerschuld ("reverse charge"). Diese geht so von der leistenden Firma auf den Leistungsempfänger über und fällt mit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug zusammen. Das bedeutet, dass der Käufer eines Produkts oder einer Dienstleistung die Abgabe abführen muss und nicht der Verkäufer.
Damit will der Finanzminister den sogenannten Karussellbetrug eindämmen. Dabei wirken mehrere Unternehmen in verschiedenen Ländern zusammen: Eine Firma importiert mehrwertsteuerfrei, berechnet aber die Abgabe beim Verkauf. Statt diese dann abzuführen, verschwindet sie vom Markt. Der Empfänger der Ware kann sich aber trotzdem mittels Vorsteuerabzug das Geld von der Finanz zurückholen.
Erst diese Woche hat die EU-Kommission Schätzungen vorgelegt, wonach den Mitgliedstaaten durch MwSt-Betrug fast 160 Milliarden jährlich entgehen. Den höchsten Verlust weist Italien auf, mit fast 37 Milliarden Euro, gefolgt von Frankreich mit 24,5 Milliarden Euro. In Österreich sind es beinahe 2,9 Milliarden Euro. Der höchste prozentuelle Anteil ist aber in Rumänien zu finden: Dort ist die Schere zwischen den erwarteten und den tatsächlichen MwSt-Einnahmen mit fast 38 Prozent beziffert. Auf dem entgegengesetzten Ende der Liste befindet sich Schweden mit einem Wert von etwas mehr als 1,2 Prozent. Österreich liegt knapp unter dem EU-Schnitt von rund zehn Prozent.
Die Kommission will im ersten Quartal des kommenden Jahres neue Vorschläge zur Bekämpfung des Mehrwertsteuer-Betrugs vorlegen. Die könnten also nicht vor 2018 umgesetzt werden. Schelling geht das nicht schnell genug, und den Umkehr-Mechanismus würde er lieber früher anwenden. Dieser greift bereits in einigen Bereichen, etwa beim Schrotthandel. Wien würde dies gern auf alle Branchen ausweiten, doch ist für solch ein Pilotprojekt die Genehmigung der EU nötig. Auf die wartet Österreich schon seit Jahren: Einen ersten Anlauf gab es 2006.