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Die EU arbeitet an einer Aufstellung von Ländern, die als Steueroasen eingestuft werden können.
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Brüssel. Die Affäre um Luxemburger Steuerabsprachen, die Panama-Papiere, Gewinnverschiebungen durch internationale Konzerne: All das zeigte, wie vielfältig die Methoden von Unternehmen sind, ihre Steuerlast zu drücken. Und es führte zu wachsender öffentlicher Empörung. Denn auch wenn die meisten Tricks durchaus legal sind, werden sie von etlichen Bürgern schlicht als ungerecht empfunden. Der Druck auf die Politik, für mehr Steuerfairness zu sorgen, stieg. Nicht nur die EU-Institutionen reagierten darauf; auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeitete Standards zu mehr Transparenz, und das Vorgehen gegen Steuervermeidung wurde zu einem regelmäßigen Thema bei den Treffen der G20-Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.
In Brüssel haben sich nun die Finanzminister der EU auf einen weiteren Schritt in diesem Vorhaben geeinigt. So soll es künftig Großkonzernen nicht mehr möglich sein, die Differenzen etwa bei der Körperschaftssteuer in verschiedenen Staaten innerhalb und außerhalb der EU auf die Art zu nutzen, dass weniger oder gar keine Abgaben gezahlt werden müssen. Doppelte Nicht-Besteuerung soll es also nicht mehr geben, ebenso wenig die Verschiebung von Gewinnen oder Dividendenzahlungen.
Die neue Regelung ist eine Ergänzung zu einer Vereinbarung, die die EU-Institutionen bereits im Sommer des Vorjahres getroffen hatten. Das Motto dabei ist: Unternehmen, die in mehreren Ländern tätig sind, sollen Steuern für ihre Gewinne dort zahlen, wo diese tatsächlich erwirtschaftet werden. Bisher wurden die Profite nämlich oft genug dorthin umgelenkt, wo der Fiskus weniger dafür verlangt hat.
Die Verluste für die Staaten, die die Praktiken zur Steuervermeidung nach sich ziehen, sind enorm. Pro Jahr entgehen den EU-Haushalten schätzungsweise 50 bis 70 Milliarden Euro an Budgeteinnahmen allein aus der Körperschaftssteuer (KöSt), wie aus einer Studie im Auftrag des Europäischen Parlaments hervorgeht. Und die Belastung ist für kleinere, nur national agierende Firmen um rund 30 Prozent höher als für Konzerne, die mehr Möglichkeiten zur Steuerflucht haben.
Ausnahmen für Bankensektor
Um dies zu ändern, hatte die EU-Kommission eine Reihe von Vorschlägen präsentiert, um Steuerschlupflöcher zu stopfen. Der nun unter den Finanzministern erzielte Kompromiss ist ein Puzzlestück dazu. Daher freute sich Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici über die neue Regelung, der aber noch das EU-Parlament zustimmen muss. Die Einigung sei eine weitere "Erfolgsgeschichte in unserer Kampagne für gerechtere Besteuerung", befand der Franzose: "Schritt für Schritt schließen wir die Kanäle, die manche Unternehmen zur Steuerflucht nutzen."
Die Bestimmungen sollen ab 2020 gelten. Damit bekommen die EU-Staaten ein Jahr länger Zeit für die Umsetzung als ursprünglich geplant. Außerdem gibt es ein paar vorläufige Ausnahmen von der Regelung, vor allem für den Bankensektor und für Händler an den Finanzmärkten. Darauf hatte in erster Linie Großbritannien gepocht. Die Kommission soll aber prüfen, wie sich diese zeitlich beschränkten Sonderfälle auswirken.
Schwarze Liste geplant
Parallel dazu soll die Arbeit an einer Aufstellung von Ländern fortgesetzt werden, die als Steueroasen eingestuft werden könnten. Solch eine schwarze Liste, die bis Jahresende fixiert sein soll, würde Staaten umfassen, die sich als "nicht kooperativ" im gemeinsamen Kampf gegen Steuerflucht erweisen. Um zu sondieren, wer das ist, hat die EU mehr als 90 Briefe verschickt, in denen sie ihre Bedenken zum Ausdruck bringt.
Unter den Ländern, in denen Probleme geortet werden, befinden sich auch die Schweiz sowie die USA. Dort gilt vor allem der Bundesstaat Delaware als Steuerparadies.
Mit den Staaten soll nun eine "steuerpolitischer Dialog" aufgenommen werden, der wohl zumindest bis zum Sommer dauern wird. Wer danach auf der Liste landet, ist also noch unklar. Aber welche Kriterien dafür angewandt werden sollen, steht mittlerweile fest. Berücksichtigt werden sollen etwa die - mangelnde - Transparenz des Steuersystems, die Art von Vorzügen für Konzerne oder fehlende Unternehmensbesteuerung. Ausgeräumt wurden außerdem auch die Differenzen, wie etwa mit der Nullbesteuerung in einigen Ländern umzugehen ist. Sie soll aber nicht generell verboten werden.