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Im Kampf mit den Piraten

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Trotz Marinepräsenz mehr Überfälle vor Somalia. | Millionengeschäft im Bürgerkriegsland. | Brüssel. Der Europäischen Union reißt langsam die Geduld. Jetzt will sie die Piraten in Somalia auch an Land bekämpfen lassen. Dafür sollen somalische Soldaten von EU-Kräften ausgebildet werden. Denn seit fast einem Jahr kreuzen Kriegsschiffe aus fünf EU-Ländern im Golf von Aden und vor der Ostküste beim Horn von Afrika.


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Auf dieser wichtigen Handelsroute, wo pro Jahr rund 20.000 Schiffe durchmüssen, sind die Piraten der Neuzeit unterwegs: Mit Schnellbooten, Panzerfäusten und Maschinengewehren gehen sie auf die Jagd. Weil sie durch die Militärpräsenz heuer nur noch bei einem von neun Angriffen gegenüber einem von sechs im Jahr 2008 erfolgreich sind, greifen sie schlicht öfter an, wie aus einem Bericht der Internationalen Seefahrtsbehörde hervorgeht.

Die verzeichnete in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres 306 Attacken; 293 waren es im gesamten Vorjahr. Dabei konnten die Piraten bis Ende September 34 Schiffe und 661 Geiseln in ihre Gewalt bringen. Hohe zweistellige Euromillionensummen an Lösegeld streiften sie angeblich ein.

So vergeht kaum ein Tag ohne Angriff; erst am Mittwoch wurden ein Frachtschiff mit Chemikalien aus Kuwait und ein jemenitischer Fischertrawler gekapert. Anfang der Woche soll den Piraten ein Frachter voll Waffen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in die Hände gefallen sein.

Start für Offensive

Und das massive Militäraufgebot der EU-Mission Atalanta konnte dem Treiben der somalischen Freibeuter bisher ebenso wenig Einhalt gebieten, wie russische, indische und chinesische Kriegsschiffe, die ebenfalls in der Region unterwegs sind und zum Teil deutlich kompromissloser agieren als die Kollegen aus der EU.

Daher will die Union jetzt einen Schritt weiter gehen und die Piraten direkt in ihren Nestern an der Küste bekämpfen. Allerdings sollen es keine EU-Sicherheitskräfte sein, welche die schwierigen Missionen durchführen sollen. Vielmehr ist die Ausbildung von 2000 bis 3000 Soldaten der somalischen Regierung geplant, die dann die Offensive starten könnten, wie es gestern, Donnerstag, in Militärkreisen hieß.

Stattfinden soll die "Trainingsmission Somalia" in Uganda, Anfang kommender Woche sollen die Außen- und Verteidigungsminister der EU-Länder den politischen Startschuss für die konkrete Planungsphase geben. Auch Österreich überlegt scheinbar, an dem neuen Projekt zur Bekämpfung der somalischen Piraten teilzunehmen.

Blockade auf See?

Einen weiteren Vorschlag will Spanien einbringen. So solle im Rahmen der EU-Militäraktion am Horn von Afrika eine Seeblockade gegen die somalischen Häfen verhängt werden.

Hintergrund der explodierenden Piraterie in Somalia ist die völlige Anarchie in dem seit mehr als 17 Jahren im Bürgerkrieg versunkenen Land. Präsident Sharif Scheich Ahmed hat alle Mühe, zumindest die Hauptstadt und ihre Umgebung halbwegs unter Kontrolle zu halten.