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Im Kapuzenpullover gegen Trumps Arzt

Von Ronald Schönhuber

Politik

In Pennsylvania wollen die Demokraten bei den Midterms ihre hauchdünne Mehrheit im Senat verteidigen. Das Duell zwischen Politrocker John Fetterman und TV-Promidoktor Mehmet Oz zählt dabei zu den ungewöhnlichsten des gesamten Wahlkampfs.


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Vor zwei Jahren hatte die Entscheidung in Pennsylvania das ganze Land in Atem gehalten. Erst vier Tage nach der Wahl gelang es Joe Biden mit Hilfe der erst spät eingelangten Briefwahlstimmen, den Vorsprung auf Donald Trump so weit zu vergrößern, dass die bei einem Abstand von weniger als 0,5 Prozentpunkten vorgesehene Neuauszählung nicht mehr stattfinden musste. Damit sicherte sich der Demokrat nicht nur den Sieg in Pennsylvania, mit mehr als 270 Wahlmännerstimmen hatte Biden auch das Rennen um die US-Präsidentschaft in der Tasche.

Eine ähnliche Schlüsselrolle dürfte dem Bundesstaat im Nordosten, der 2016 Trump gewählt hat, davor aber fast 30 Jahre in demokratischer Hand war, nun auch diesmal zukommen. Denn neben Nevada, Arizona, Georgia und Wisconsin zählt Pennsylvania zu jener Handvoll umkämpfter Staaten, in denen bei den Midterm Elections am kommenden Dienstag die Entscheidung darüber fällt, ob Bidens Demokraten zumindest im Senat ihre Mehrheit behalten können. Gewinnen die Republikaner nur einen Sitz in der zweiten Kammer des US-Kongresses hinzu, könnte Vize-Präsidentin Kamala Harris nicht mehr so wie in der vergangenen Legislaturperiode ein 50:50-Patt mit Hilfe ihrer Stimme zu Gunsten der Demokraten auflösen.

Schlaganfall als Handicap

Dass die Partei des Präsidenten das viel beachtete Senatsrennen in Pennsylvania für sich entscheiden kann, ist heute aber deutlich unwahrscheinlicher als noch vor ein paar Wochen. Denn John Fetterman, der wohl ungewöhnlichste Kandidat der Demokraten, hat seinen ehemals großen Vorsprung auf seinen republikanischen Kontrahenten Mehmet Oz mittlerweile fast komplett eingebüßt und liegt in den Umfragen nur noch einen Prozentpunkt voran.

Ausschlaggebend dafür dürften nicht zuletzt die jüngsten Wahlkampfauftritte des 2,07 Meter großen Hünen gewesen sein. Konnte Fetterman, der mit seinen großflächigen Tätowierungen und seinen Kapuzenpullovern eher wie ein Heavy-Metall-Rockstar als wie ein Politiker aussieht, seine Anhängerschaft früher mit seiner energischen Art und einer authentischen Politik für die Zurückgelassenen überzeugen, ist er nun durch einen im Mai erlittenen Schlaganfall sichtlich gehandicapt.

Bei seinen Wahlkampfveranstaltungen gerät der 53-jährige Glatzkopf immer wieder ins Stocken. Und im einzigen TV-Duell kam Fetterman vor ein paar Tagen völlig unter die Räder. Während Oz, der einst als Gastmediziner in der Talkshow von Oprah Winfrey zu Berühmtheit gelangte, von seiner langjährigen Erfahrung als Promi-Fernsehmediziner profitieren konnte, leistete sich Fetterman zahlreiche Ausrutscher und musste mehrmals unvermittelt pausieren.

Dem Vize-Gouverneur von Pennsylvania machen allerdings nicht nur seine medizinischen Probleme zu schaffen. Wie alle demokratischen Kandidaten kämpft auch Fetterman damit, dass die hohe Inflation und die gestiegenen Treibstoffpreise vielfach den in Washington regierenden Demokraten angelastet werden. Ohne die wirtschaftlichen Probleme des Landes wäre die Wahl für den Demokraten eine "todsichere Sache" geworden, sagt die in Philadelphia lebende Fetterman-Anhängerin Marie Winter gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. "Jetzt wird es ein richtig enges Rennen."

Mit Wundermitteln ins Abseits

Helfen könnte Fetterman derzeit vor allem, dass auch sein häufig nur "Dr. Oz" genannter Rivale jede Menge Angriffsflächen bietet. Denn der 62-Jährige besitzt als Quereinsteiger nicht nur wenig Erfahrung in der Politik, mit zahlreichen fragwürdigen Auftritten hat der von Trump unterstützte schwerreiche Chirurg in den vergangenen Jahren auch seine fachliche Reputation beschädigt. So hatte Oz Trump bereits vor dessen Amtsantritt im Rahmen eines medial ausgeschlachteten medizinischen Check-ups beschienen, der "gesündeste Präsident aller Zeiten" zu sein. In der Corona-Krise pries der Mediziner, der schon zuvor immer wieder für diverse Wundermittelchen geworben hatte, dann das Malariapräparat Hydroxychloroquin als Corona-Medikament an.

Fetterman kann zudem auf prominente Unterstützung bauen. Am Samstag und damit drei Tage vor dem großen Wahltag wird nicht nur Präsident Biden an der Seite des demokratischen Kandidaten auftreten, sondern auch der äußerst populäre Ex-Präsident Barack Obama. In Pennsylvania kommt es damit indirekt zu einer Wiederholung des Duells von vor zwei Jahren. Denn auch die Republikaner fahren im Kampf um den Senat schweres Geschütz auf und schicken niemand Geringeren als Trump ins Rennen. Der Ex-Präsident soll am selben Tag wie Biden und Obama ebenfalls eine Rede in Pennsylvania halten.