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Im Knurren liegt die Kraft

Von Kerstin Viering

Wissen

Drohgebärde gibt Hunden Aufschluss über die Größe von Artgenossen. | Verbindung von Gehörtem und Gesehenem. | Berlin. Ein gefährliches Grollen aus tiefster Kehle und die Aussage ist klar: "Nimm dich bloß in Acht!" Auch Menschen haben keine Schwierigkeiten, die Botschaft eines knurrenden Hundes zu verstehen. Für die Ohren von Artgenossen allerdings enthalten die akustischen Drohgebärden nicht nur Informationen über die Laune, sondern auch über die Größe ihres Gegenübers.


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Anhand des Knurrens können sich die Tiere ein recht genaues Bild von der Statur eines möglichen Gegners machen, berichten Friederike Range und ihre Kollegen von den Universitäten in Wien und Budapest im Fachjournal "Plos One".

Bevor sie sich auf einen Kampf einlassen, versuchen viele Tiere, die Kräfte ihres Kontrahenten einzuschätzen. Vielleicht ist es ja besser, sich aus dem Staub zu machen, anstatt in einer aussichtslosen Prügelei Gesundheit und Leben zu riskieren? Für diese Entscheidung kann neben dem Aussehen auch die Stimme des Widersachers Hinweise liefern. Daran lässt sich oft schon aus einiger Entfernung erkennen, mit wem man es zu tun hat. Denn wie genau ein Rufen oder Röhren, Brüllen oder Knurren klingt, hängt unter anderem von anatomischen Unterschieden im Vokaltrakt ab.

Dieser besteht aus Luftröhre, Mund- und Nasenhöhle und wirkt wie ein Filter, der bestimmte Frequenzbereiche verstärkt und andere abschwächt. Die Bereiche mit der größten Verstärkung, die Formanten, beeinflussen die Klangfarbe der Stimme. Auf welchen Frequenzen die Formanten liegen, hängt von der Länge des Vokaltraktes und damit von der Körpergröße ab. Bei einem knurrenden großen Hund sind die Formanten also anders verteilt als bei einem kleinen.

Schon länger gibt es Hinweise darauf, dass die Tiere aus diesen Unterschieden ihre Schlüsse ziehen. So berichteten britische Biologen von einem Versuch, in dem sie Hunden Knurren auf Band vorgespielt hatten. Die Forscher hatten das Geräusch dabei so manipuliert, dass die Formanten mal auf einen größeren und mal auf einen kleineren Urheber hinzuweisen schienen. Vor allem in den Ohren großer Hunde machte das einen Unterschied: Wenn diese das typische Knurren eines kleineren Artgenossen hörten, machten sie sich meist gleich auf die Suche nach dem unverschämten Eindringling. Hielten sie den Fremden dagegen für größer als sich selbst, reagierten sie eher zurückhaltend.

Was im Kopf der Tiere vorgeht

Range wollte nun wissen, was dabei im Kopf der Tiere vorgeht. Können Hunde akustische Informationen in Bilder umsetzen? Sehen sie also den Gegner vor ihrem geistigen Auge wenn sie ihn knurren hören? Die Forscher haben Hunde mit einem Knurren auf Band und zwei Bildern von Artgenossen konfrontiert. Das eine Foto zeigte ein Tier, dessen Größe zur Stimme passte - das andere den gleichen Hund um 30 Prozent vergrößert oder verkleinert. Davon aber ließen sich die Versuchsteilnehmer nicht irritieren. Sie schauten schneller und länger auf das Bild mit dem richtig dimensionierten Artgenossen, zu dem das Knurren passte.

Aus Versuchen mit Affen und Kleinkindern weiß man, dass diese lieber Bilder anschauen, die zu einer akustischen Botschaft passen, als solche, die das nicht tun. Nun gehören auch Hunde zu dem Klub der Arten, die eine Verbindung von Gehörtem und Gesehenem herstellen können. Dabei achten sie nicht allein auf die Größe des Fotomotivs, sondern es muss schon auch ein Hund abgebildet sein. Zu Vergleichszwecken präsentierte Bilder von Dreiecken waren den Tieren meist keine längere Betrachtung wert. Katzenmotive dagegen weckten durchaus Interesse, allerdings unabhängig von ihrer Größe. Hunde erkennen also nicht nur mühelos ihre Artgenossen oder Lieblingsfeinde auf Bildern. Sie wissen auch, dass Katzen nicht knurren.