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Im Libanon zeichnet sich ein Kompromiss ab

Von Anne-Beatrice Clasmann

Politik

Aoun will Armeechef Suleiman an die Staatsspitze hieven. | Istanbul. Nachdem in den vergangenen Wochen mehr als ein Dutzend internationaler Vermittler für eine Kompromisslösung im Streit um die Nachfolge des libanesischen Präsidenten Emile Lahoud geworben hatte, kommt nun endlich Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen. Ex-General Michel Aoun, der von der Opposition zunächst als einziger Kandidat für das Amt des Staatsoberhaupts aufgestellt worden war, verkündete, dass er auf seine Kandidatur verzichte und damit den Weg frei machen wolle für einen Kandidaten, der nicht nur den gleichen Vornamen trägt wie er selbst, sondern auch den gleichen militärischen Rang. Armeechef General Michel Suleiman, der schon vor Monaten als möglicher Bewerber für die Präsidentschaft genannt und dann wieder in der Versenkung verschwunden war, ist Aouns Wunschkandidat.


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Sogar einer Verfassungsänderung, die für eine Kandidatur des Armeechefs notwendig ist, würden Aoun und seine Gefolgsleute zustimmen. Zwar haben sich bisher weder Aouns schiitische Verbündete - die Hisbollah und die Amal-Bewegung von Parlamentspräsident Nabih Berri - noch die anti-syrische Mehrheitsfraktion von Ministerpräsident Fuad Siniora offiziell zu Suleiman geäußert. Doch ist der Armeechef bisher der einzige mögliche Kandidat, gegen den niemand Einwände erhebt. Nach Lesart der Libanesen, die stets dazu tendieren, fremde Mächte für alle in Beirut getroffenen Entscheidungen verantwortlich zu machen, würde eine Wahl Suleimans bedeuten, dass sowohl Paris und Washington, die Siniora unterstützen, als auch Damaskus und Teheran, die hinter Aoun und der Hisbollah stehen, mit Suleiman als neuem Staatschef einverstanden wären. "Wir werden uns Suleiman nicht in den Weg stellen", sagte ein Hisbollah-Abgeordneter dem TV-Sender Al-Arabiya. Zuvor hatten sich bereits einige Abgeordnete aus dem Siniora-Lager positiv über den Armeechef geäußert.

Dennoch, von einer Einigung im eigentlichen Sinne kann man nicht sprechen, da es zur Kandidatur Suleimans bisher keine direkten Konsultationen zwischen beiden Lagern gegeben hat. "Es gibt noch Bedingungen und Details, über die gesprochen werden muss", heißt es aus Regierungskreisen in Beirut. Und selbst wenn Suleiman mit den Stimmen von Mehrheit und Opposition zum neuen Präsidenten gewählt werden sollte, so bedeutet dies möglicherweise nur, dass keines der beiden Lager in diesem Konflikt vor den Bürgern die Verantwortung für das Machtvakuum übernehmen wollte. Von einem Ende der Regierungskrise, die durch den Austritt aller schiitischen Minister aus dem Kabinett ausgelöst worden war, kann daher zunächst keine Rede sein. Die internationalen Vermittler, zu denen Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner und der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, zählen, werden einander in Beirut voraussichtlich noch oft die Türschnalle in die Hand geben.