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Im Loch? Hör auf zu graben!

Von Thomas Seifert

Leitartikel

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"Du bist in einem Loch? Hör auf zu graben!" So lautet das erste Löcher-Grundgesetz. Das Finanzblatt "The Bankers Magazine" hat diese Weisheit in einer Ausgabe im Jahr 1964 verbreitet: "Let me tell you about the Law of Holes: If you find yourself in a hole, stop digging."

Es wäre schön, würden Europas Wirtschaftspolitiker und Notenbanker diese Worte beherzigen.

Seit dem vorigen Quartal ist in Deutschland und Italien die Wirtschaftsaktivität um 0,2 Prozent geschrumpft, in Frankreich bewegt sich der Wachstumsgraph an der Null-Linie. Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone hat sich seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 beinahe verdoppelt und bleibt vor allem in Spanien (24,5 Prozent) und Italien (12,3 Prozent) auf unerträglich hohem Niveau. In den USA liegt dieser Wert übrigens bei etwas über 6 Prozent.

Es ist also an der Zeit, dass die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und die europäischen Staats- und Regierungschefs den Spaten beiseitelegen und aufhören zu graben. Denn mit einer stupiden Fortsetzung der fantasielosen Sparpolitik der Austeritätsfetischisten wird Europa nicht den Weg aus dem Loch zurück an die Erdoberfläche finden. Die Zinsen für deutsche Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind zum ersten Mal in der Geschichte unter die 1-Prozent-Marke gefallen.

Einen besseren Rahmen für ein wenig gute alte keynesianische Wirtschaftspolitik wird man nicht so schnell finden. Und guter alter Keynesianismus könnte die notwendigen Impulse für eine Rückkehr zu einem Wachstumskurs setzen.

Warum baut Siemens in China Eisenbahnhochleistungsstrecken, die es in Europa nur in Frankreich und Spanien gibt? Warum sieht Europa den USA dabei zu, wie sie in der Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts, der Informationstechnologie, immer weiter davonziehen?

Erinnert sich noch jemand an die Lissabon-Strategie der EU? Dieses im Jahr 2000 in Lissabon verabschiedetes Programm hatte zum Ziel, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Soll man im Gedanken an diese offenbar längst aufgegebenen Pläne eigentlich lachen oder weinen?

Eine zentrale Rolle kommt zudem der Europäischen Zentralbank zu: Denn Mario Draghi verfügt über das geldpolitische Rettungsseil, mit dem die Eurozone sich aus dem Loch ziehen könnte.