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Im Mittelpunkt steht der Mensch

Von Brigitte Pechar

Politik

Rudolf Kirchschläger feiert heute seinen 85. Geburtstag. Er ist ein Mahner für den Frieden, das Miteinander und einen sorgfältigen Umgang mit Worten. Gerade jetzt, wo der innenpolitische Ton | wieder rauher geworden ist, hat er dazu aufgerufen: "Achte auf die Worte".


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Kirchschläger war der erste Bundespräsident, der durch zwei Amtsperioden, von 1974 bis 1986, sein Amt inne hatte. Die Repräsentation nach Außen war wichtiger Bestandteil seiner Amtsperiode, noch

wesentlicher war für ihn als Staatsoberhaupt der Umgang mit den Menschen.

Kirchschläger, der Armut und Not aus eigener Erfahrung kennt · er wurde mit drei Jahren Halbwaise und im Alter von elf Jahren Vollwaise ·, hat daraus sein Verstehen für bedürftige und schwache

Menschen gewonnen. Armut sei, wie der frühere Bundespräsident einmal sagte, nicht immer "ein großer Glanz aus Innen" (Rilke), sondern sehr oft ein "kraftverzehrender, enttäuschender und auch

entmutigender Zustand". Dadurch habe er eine unerlässliche soziale Komponente des Lebens verstehen gelernt, aber auch einen konsequenten Leistungswillen entwickelt, der ihn schließlich zum ersten

Mann des Staates machte.

Parteien müssen wieder sachte Kontakte knüpfen

Erst vorige Woche hat Kirchschläger in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Furche" · gemäß seiner Devise das Gemeinsame über das Trennende zu stellen · vor Polarisierung im Land

gewarnt. Auch Worte könnten zu einer Kluft im Lande führen. Es müßten "sachte wieder die Kontakte zwischen den Parteien geknüpft werden und eine interne Sprachregelung geben." Als Gefahr für

Österreich sieht Kirchschläger die Kluft, die sich im Land wieder aufgetan habe. "Was mich nachdenklich macht und warum ich auch relativ stark für eine rot-schwarze Koalition eingetreten bin, ist der

Umstand, dass ich die Jahre 1929 bis 1934 schon als reifer, denkender Mensch miterlebt habe. Die damalige Teilung Österreichs in den Bürgerblock auf der einen Seite und die sogenannte Arbeiterschaft

auf der anderen Seite war so böse und hatte so schwerwiegende Folgen, dass wir sie bis jetzt in den Wahlkämpfen noch immer spüren." Für die Einen sei Rot ein Schimpfwort, für die Anderen Schwarz · in

den Österreichern sei "noch etwas von dem alten Gift drinnen. Ich fürchte, das bekommt neue Nahrung", meinte Kirchschläger.

Gerechtigkeit als gesellschaftliches Prinzip

Aus seinem Erleben der Zwischenkriegszeit ist Kirchschlägers Engagement für Versöhnung und Frieden erwachsen. In einer Dankesrede anlässlich der Überreichung der Verleihung des Ehrendoktorates der

Johannes-Kepler-Universität an ihn (1982) sagte er: "Dass Gerechtigkeit ein Lebensgrundsatz und ein gesellschaftliches Prinzip ist, an dessen Realisierbarkeit wir manchmal zweifeln oder selbst zu

verzweifeln beginnen, ist ... eine Tatsache." Es bleibe aber keine Wahl, als immer wieder den "Versuch zu unternehmen, in einer gelebten Demokratie Gerechtigkeit zu verwirklichen. Worte über den

Frieden werden viele gesprochen und können sicher noch viele neue gefunden werden. Aber sicher ist, dass es einen Frieden ohne friedfertige Menschen nicht geben wird."

Kirchschläger ging immer wieder der Frage nach, wie Macht gebraucht wird, wie Politiker mit den Anforderungen an sie umgehen. Dabei stand für ihn immer die Gewissensfrage im Vordergrund · das

Gewissen sei immer die letzte Instanz der Entscheidung, wobei als Konsequenz daraus die "letzte Ausübung der Macht dann wohl im Verzicht auf die Macht liegt".

Gewarnt hat der frühere Bundespräsident auch noch nach seinem Ausscheiden aus diesem Amt davor, Politik auf Umfragen von Meinungsforschungsinstituten aufzubauen: "Der persönliche Kontakt mit den

Menschen....kann durch nichts ersetzt werden." Er verhindere auch, sich einer Sprache von Schlagwörter zu bedienen, die "jene Kluft öffnet, welche dann auch im Misstrauen gegen die Macht und gegen

die Mächtigen zum Ausdruck kommt."