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Im Namen Buddhas

Von WZ-Korrespondent Patrick Böhler

Politik

Religiöse Ausschreitungen forderten in Myanmar mehr als 40 Todesopfer.


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Rangun. Als sich jüngst drei Männer mit Benzin der Moschee im Zentrum Ranguns näherten, war die Polizei unerwartet rasch vor Ort. Nach einer längeren Diskussion ließen sich zwei von ihnen überreden, nach Hause zu gehen, der dritte Mann wurde verhaftet. Der Zwischenfall ist ein Beispiel dafür, wie angespannt die Lage zwischen Buddhisten und Muslimen Myanmars (Burmas) Wirtschaftsmetropole inzwischen ist. Früher oder später, so die weitverbreitete Sorge in der Stadt, wird eine Provokation erfolgreich sein und offene Gewalt ausbrechen.

Ausschreitungen hatten im März Teile der zentralburmesischen Stadt Meikhtila verwüstet und mindestens 43 Menschenleben gefordert. Die Unruhen begannen mit einer Lappalie: Ein muslimischer Goldschmuckhändler und seine buddhistischen Kunden konnten sich nicht auf einen Preis einigen, es kam zu einer Prügelei.

12.000 Menschen sind seither vor der Gewalt geflüchtet, der Großteil von ihnen Muslime. Präsident Thein Sein bestritt, dass Polizei und Militär auf der Seite der ultra-nationalistischen buddhistischen Mobs standen, als Chaos nach Meikhtila kam und sich in Zentralmyanmar ausbreitete.

Die besorgten Muslim-Gemeindeführer, mit denen sich die "Wiener Zeitung" in einem Büro in der kolonialen Altstadt Ranguns getroffen hat, sind sich einig darüber, warum die religiösen Spannungen gerade jetzt ausgebrochen. "Manche haben die politische Öffnung im Land ausgenutzt", sagt Maung Shwe, ein Abgeordneter zur Pyithu Hluttaw, dem nationalen Parlamentsunterhaus. "Der ethnische Hass wird sich nur weiter ausbreiten."

Zaw Min, der neben ihm sitzt, ist seit kurzem ein freier Mann. In Rakhine, wo bei Ausschreitungen zwischen buddhistischen und muslimischen Rohingya im Sommer des Vorjahres hunderte Menschen getötet worden waren, wurde er nach seiner Festnahme Wochen lang ohne Anklage festgehalten und, wie er sagt, gefoltert. Er zeigt auf das Auge, auf das, so sagt er, so oft geschlagen wurde, dass er damit fast nicht mehr sehen kann. Nur durch Intervention eines UN-Vertreters kam er frei und lebt nun in Rangun. "Die Gewalt wird auch hierher kommen", sagt er mit gebrochener Stimme.

"Muslime sind gewalttätig", sagt ein Taxifahrer, der einen Moment zuvor von einem besseres Leben in einem demokratischen Burma gesprochen hat. "Der Angriff auf das World Trade Center, das waren Muslime."

Anti-muslimische Ausschreitungen gab es auch schon, als das Land noch eine britische Kolonie war, und auch unter der späteren Militärdiktatur. Viele burmesische Buddhisten betrachten Muslime seit jeher mit Argwohn. Nur ungefähr vier Prozent der Bevölkerung sind islamischen Glaubens, wie eine Regierungsstatistik besagt.

Für Brad Adams, Asien-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, sind es die buddhistischen Ultra-Nationalisten, die für die weit verbreitete Diskriminierung der Muslime verantwortlich sind. "Einige bekannte buddhistische Mönche halten Predigten und verteilen Anti-Islam-Texte und Aufrufe an Buddhisten", sagt er. "Sie sollen Geschäfte der Muslime boykottieren und den Kontakt zu ihnen meiden."

Führende Persönlichkeit unter jenen Mönchen, die sich in einer Tradition buddhistischer Kriegerkönige sehen, ist Sayadaw Wirathu aus dem Masoeyein-Kloster in Myanmars zweitgrößter Stadt Mandalay. Paradoxerweise nennt sich Wirathu selbst Myanmars "Osama bin Laden," Verteidiger des Buddhismus vor Angriffen der Muslime.

Nachdem der 45-Jährige letztes Jahr nach einer neunjährigen Haftstrafe für Anstiftung zu Gewalt aus dem Gefängnis entlassen wurde, führt er die ultra-nationalistische Bewegung "696" an. Die Zahlen beziehen sich auf die neun Charaktereigenschaften des Buddhas, seine sechs Lehren und die neun Eigenschaften des Mönchstums. In Reden warnt er vor der Infiltrierung der Oppositionspartei NLD von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi durch die Moslems. "In vielen Städten wird die Nationale Liga für Demokratie von bärtigen Muslimen geleitet", warnte er in einer Ansprache im Februar. Sie kontrollieren sie, sie haben sie umzingelt."

Zulauf unter Jugendlichen

Wirathu, mittlerweile landesweit bekannt, betreibt eine kleine DVD-Produktion in seinem Kloster und verbreitet Aufnahmen seiner Ansprachen in ganz Burma mittels seiner Sympathisanten. In Rangun bieten Straßenhändler an fast jeder Straßenecke seine Hasspredigten sowie T-Shirts und Bumperstickers mit den Zahlen 696 feil.

Auf Facebook ruft der Mönch Buddhisten dazu auf, gegen burmesische Frauen zu hetzen, die muslimisch aussehende Partner haben. Fotos von Models mit den Zahlen 696 auf ihrer Kleidung belegen, dass seine Bewegung zumindest einen Teil des Mainstreams, meist arbeitslose Jugendliche, erfasst hat. "Versuche alles nationalistisch zu sehen", meinte er kürzlich in einer Predigt. "Handle stets als Nationalist." Viele Burmesen halten sich inzwischen daran.