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Im Namen des Volkes

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Regelrechter Kult um den General, der seinerzeit Mursi absetzte.


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Kairo. Nach dem Rücktritt der ägyptischen Übergangsregierung ist der bisherige Wohnbauminister Ibrahim Mahlab mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt worden. Der frühere Parteifreund von Ex-Machthaber Hosni Mubarak und langjähriger Leiter des größten Baukonzerns Ägyptens will heute, Samstag, seine neue Regierung vorstellen. Alle Ägypter sind gespannt, ob Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi dem Kabinett erneut angehören wird oder er seine Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt gibt.

Zu den Anhänger von al-Sisi gehört auch Bahira Galal, die eine kleine Konditorei besitzt. Dort hat sie die Begeisterung für den Feldmarschall auch schon in eine lukrative Geschäftsidee umgemünzt. Gleich nachdem Ägyptens Islamisten-Präsident Mohammed Mursi vorigen Sommer gestürzt wurde und alle anfingen, für den neuen starken Mann zu schwärmen, bekamen Galals Pralinen das Abbild von General Abdel Fattah al-Sisi verpasst. Inzwischen ist ihre Sisi-Schokolade über die Grenzen Ägyptens hinaus bekannt. Unzählige Kamerateams standen schon in Bahiras "Kakao Lounge" im Kairoer Bezirk Garden City und filmten die Pralinen mit dem Herrn in Militäruniform. Der Feldmarschall ist zum beliebtesten Mitbringsel aus der ägyptischen Hauptstadt geworden. Botschaften, Regierungsmitglieder und ausländische Firmenvertreter bestellen al-Sisi bei Galal.

Die "Kakao Lounge" wird bald noch mehr Kunden bekommen, wenn al-Sisi für das höchste Amt im Staat kandidiert. Seit Wochen gibt es am Nil nur noch ein Thema: "Sisi for president" - er soll Präsident werden. Eine Initiative hat angeblich schon mehr als 20 Millionen Unterschriften im ganzen Land gesammelt, die den Mann mit der feschen Generalsmütze und den vier Sternen an der Schulter als Präsidentschaftskandidat sehen wollen. Die ägyptischen Medien fordern ihn unisono zur Kandidatur auf. Dass der Militärrat dafür bereits grünes Licht gab und Übergangspräsident Adli Mansour ihn zum höchsten Offizier im Staate kürte, lässt auf diesen Schritt schließen.

Er werde den Willen des Volkes respektieren und "ihm nicht den Rücken zudrehen", ließ al-Sisi kurz nach dem überwältigenden Ja-Votum über die neue Verfassung Mitte Jänner verlauten. Doch al-Sisi lässt sich Zeit, wohl wissend, dass seine Kandidatur nicht unproblematisch ist. "Ein neuer Präsident muss die Straßenkämpfe beenden", sagt eine Straßenverkäuferin im Kairoer Bezirk Giza und spricht damit vielen aus der Seele. "Er muss unseren Alltag verbessern."

Nur Zivilisten

Viele trauen dies derzeit nur al-Sisi zu, der sie von Mursi und den Muslimbrüdern befreit habe, unter deren Herrschaft Gewalt und Kriminalität nie gekannte Ausmaße annahmen. Nachdem Ende Juni 2013 Millionen Ägypter auf die Straße gingen und den Rücktritt des ersten frei gewählten Präsidenten forderten, dieser aber auf seiner Position beharrte, setzte ihn der damalige Verteidigungsminister al-Sisi kurzerhand ab und die Verfassung außer Kraft.

Sein Image als Junta-Chef versuchte der 59-Jährige jedoch bald loszuwerden. Immer weniger trat er mit Sonnenbrille auf und auch seine Generalsmütze sah man seltener. Dafür ist al-Sisi in Uniform allgegenwärtig auf Postern, Keksen, Seifen und Feuerzeugen. "Wir Ägypter neigen zur Übertreibung", analysiert Politik-Professor Ali Dorgham die Mentalität der 81 Millionen Nilbewohner.

Für al-Sisi bedeutet die Kandidatur für das Präsidentenamt, dass er diese Uniform ablegen müsste. Die neue Verfassung schreibt vor, dass nur ein Zivilist Präsident von Ägypten werden kann. Geboren im November 1954 in Kairo, verfolgte der gläubige Muslim aber eine bespiellose militärische Karriere. "Die Armee sollte sich aus den Alltagsgeschäften der Politik raushalten", sagte al-Sisi kurz nachdem er Mursi gestürzt hatte. Er korrigierte aber schon einige Wochen später: "Ich glaube nach wie vor an dieses Prinzip, doch habe ich zugleich eine Verantwortung."