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Die Regierung hat sich beim Thema Rauchverbot in ein Dilemma begeben. Eine Analyse.
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Der Zauber der Politik liegt mitunter in ihrer unberechenbaren Dynamik. Klar, das Thema Rauchen in der Gastronomie war immer schon ein umstrittenes, da es erstens weit ins Private hineinreicht und zweitens offenbar ein breit akzeptierter Kompromiss schwer möglich ist.
Doch die Koalitionsregierung hat sich durch die Verknüpfung des Themas mit vereinbarten Ausbaus der direkten Demokratie in ein kleines Dilemma manövriert. Aber ist es überhaupt ein Dilemma? Und wenn ja, für wen?
Für ein totales Rauchverbot war in erster Linie immer die SPÖ, die dies auch jetzt fordert und gegebenenfalls eine verpflichtende Volksabstimmung fordert. Das ist aber insofern interessant, da die Sozialdemokraten grundsätzlich gegen den weiteren Ausbau der direkten Demokratie waren. Bei diesem Thema wäre es nun opportun.
Gegensätzlich die FPÖ. Die Freiheitlichen wollen generell viel häufiger das Volk befragen, beim Thema Rauchen in Gaststätten aber, für das sie sich in Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen eingesetzt haben - nun, da muss es nicht unbedingt sein.
Der erfolgreiche Start des Volksbegehrens für ein totalen Rauchverbot hat die restriktive Sicht der FPÖ, die zunächst stur auf den Pakt mit dem Koalitionspartner verwies, aufgeweicht. Man erinnerte sich dem Lieblingsthema direkte Demokratie, doch deren Ausbau ist eben erst 2021 vorgesehen. Sie soll erst bei der nachfolgenden Regierung ihre volle Wirkung entfalten.
Wie das Verhalten der Parteien allein bei dieser Frage zeigt, ist direkte Demokratie in erster Linie dann gewünscht, wenn sie der Durchsetzung eigener Forderungen nützt. Auf der Welle des ökologischen Erwachens hatten die Grünen (Zwentendorf, Hainburg) lange auf direkte Demokratie gesetzt, ehe sich die demokratiepolitische Skepsis durchsetzte. Der der ÖVP war die Aussicht auf viele Referenden nie geheuer, jedoch war Sebastian Kurz als JVP-Chef dafür. Allerdings sind auch bei ihm die Hürden nach und nach angehoben worden - und die Umsetzung ist nun, da er im Kanzleramt sitzt, für das Ende der Legislaturperiode geplant.
Die FPÖ sitzt zwar nun auch in der Regierung, für einige ihrer Wünsche hat sie aber dennoch keine politische Mehrheit. Sie will die ORF-Gebühren abschaffen, das Tempolimit erhöhen und das Handelsabkommen Ceta zu Fall bringen. Das geht mit der ÖVP nicht. Parteichef Heinz-Christian Strache erklärte, dass er eine Volksabstimmung über das Rauchverbot mit eben diesen Fragen junktimieren würde. Er spielt damit den Ball geschickt an die ÖVP weiter.
Die ist ja auch für den Ausbau der direkten Demokratie. Also warum nicht auch über diese Fragen abstimmen? Dass der Opposition im Fall eines Vorziehens der direktdemokratischen Ausbaupläne auch einige Ideen kämen, ist anzunehmen.
Für die FPÖ könnte ein Motiv dahinter eine Art koalitionäre Überlebenshoffnung sein. Die ersten beiden Regierungsbeteiligungen endeten bekanntlich in internen Konflikten, Neuwahlen und Spaltungen. Vor allem unter Schwarz-Blau war der FPÖ auf den Kopf gefallen, langjährige Forderungen nicht umgesetzt zu haben. Zum Teil waren sie zwar gar nicht umzusetzen, doch wenn man künftig viele heikle Entscheidungen direkt an die Wähler delegiert, lässt sich vielleicht dieses Phänomen vermeiden.
Neue Regelung ab 1. Mai?
Das Problem: Gewinnen dürfte die FPÖ dann solche Referenden auch nicht. Es wäre wohl das Ende der Koalition, unterstützten die Freiheitlichen ein Volksbegehren gegen Ceta, das zu einer Volksabstimmung würde und mit einem Nein zu Ceta ausginge. Ganz utilitaristisch gefragt: Ist es das Thema wert? Ist Ceta oder das Rauchverbot wichtig genug, die Koalition zu riskieren?
Die Regierung hätte die bisherige Regelung, die mit Ende April auslaufen und durch ein generelles Verbot ersetzt werden sollte, verlängern und nach dem Ende des Volksbegehrens in Ruhe noch einmal verhandeln können. Das wollte die FPÖ aber nicht, das wäre das Ende ihrer Hoffnungen auf einen Nichtraucherschutz mit Ausnahmen. Deshalb soll auch bald ein Initiativantrag durchs Parlament gedrückt werden. Und das ohne Begutachtung. Die Opposition rotiert, der Koalitionspartner hat aber in Person von Kanzleramtsminister Gernot Blümel Pakttreue geschworen. Man werde gemeinsam einen Initiativantrag ausarbeiten.
Abstimmung im Herbst
Käme mit 1. Mai aber eine neue Regelung, die dann wenige Monate später durch eine Volksabstimmung ausgehebelt wird, würden die Wirte vermutlich revoltieren. Ein Ausweg könnte nun darin liegen, ein neues Modell zu verhandeln, die derzeitige Lösung vorerst zu verlängern und im Herbst über den gemeinsamen Kompromiss das Volk zu befragen. Das wären dann freilich wochenlange Festspiele für die Opposition. Und die Regierung, die wie keine zuvor auf message control setzt, kann sich der Unberechenbarkeit einer Wahldynamik ausliefern.
Derzeit ist auch kaum vorstellbar, dass ein anderes Modell zu einem Verbot eine Mehrheit erhalten würde. Vielleicht wäre das der ÖVP innerlich auch recht, wobei die Wirtschaftskammer stets für Ausnahmen war. Die FPÖ weiß, dass sie so ein Referendum verlieren würde. Wenn sie eine Volksabstimmung akzeptiert, dann wohl nur mittels Gegengeschäft. Ob das die ÖVP eingeht?
Was bleibt? Durchziehen, ducken und hoffen, dass der Sturm vorüberzieht. Oder, und deshalb sitzt wohl die ÖVP am längeren Ast, der Druck auf die FPÖ-Spitze, zum Beispiel aus den Ländern, wird intern so groß, dass Strache einer Volksabstimmung ohne Junktim zustimmt.