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Die Kosmetikindustrie ist erfindungsreich wie nie und versorgt uns laufend mit neuen Produkten. Die versprechen jede Menge an interessanten Dingen: Falten glätten, Lippen stärken, Wimpern verlängern, Blick schärfen, Konturen verdeutlichen. Stimmen die Anpreisungen? Ein unkonventioneller Test soll ein wenig zum Nachdenken anregen - aber auch zum Schmunzeln.
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Die beste Kosmetik ist die Lebensfreude, heißt es. Das mag schon stimmen, aber das Leben ist nun einmal nicht immer lustig, also sind andere Lebensweisheiten gefragt, wie etwa diese: "Kosmetik ist die Kunst, aus der Not eine Jugend zu machen". Das war auch in der Antike nicht anders. Während sich die Menschen damals abmühten, Falten mit Öl und Eselsmilch glatt zu bekommen, sind heute Abertausende damit beschäftigt, all das zu entwickeln, womit das Lexikon den Begriff Kosmetik definiert: "Das normale Aussehen durch erhöhte Pflege, Behandlung und Anwendung von Hilfs- und Pflegemitteln zu erhalten und nach Möglichkeit zu verbessern".
Die Welt der heutigen Kosmetik ist ein Parallel-Universum, in dem emsig daran gearbeitet wird, die unerfüllten Sehnsüchte der Menschen nach jugendlicher Haut und faltenfreiem Dasein zu erfüllen. Oder zumindest dabei zu helfen, das Lebensgefühl zu steigern. Ein fabelhafter Kosmos aus Cremen, Stiften, Tiegeln und Farbpaletten, die uns in einer hübschen Mischung aus Dichtung und Wahrheit ans Herz gelegt werden. Die Industrie, die dahinter steckt, hat längst erkannt, wie empfänglich die Gesellschaft für ihre Ergebnisse ist. Und dass sie dafür auch gern tiefer in die Taschen greift.
Biochemiker und Dermatologen wissen, wie man Substanzen kreiert,
von welchen nie jemand ahnte, dass sie einmal gebraucht werden. Die Stoffe haben interessante Namen, vermitteln angenehme Gefühle und wenn die Werbe-Botschaft durch ist, wird jedem klar: All diese Kreationen in Tiegeln, Flaschen, Dosen oder Tuben, in Stiften, Paletten oder anderen Umhüllungen warten darauf, das zu tun, wofür sie erfunden wurden - uns jung und schön zu erhalten. Oder zumindest dafür zu sorgen, dass unsere Haut, dieses osmotische Organ, nicht vorzeitig zu einem Runzelkomplex zusammenfällt.
Bekanntlich neigen die meisten Menschen dazu, die Sprache für die Abbildung der Wirklichkeit zu halten. Auch ich schließe oft von der Bedeutung eines Wortes auf die Existenz eines entsprechenden Sachverhaltes. Wenn da "Multi Correxion Anti-Age Moisturiser" steht, hält das doch das Altern auf und die "Revitalift Erneuernde Reinigung" macht klarerweise beim Säubern neue Haut. Oder etwa nicht? "Korallenmoosextrakt", diese wunderbare Mischung aus Meer und Moos, kann nicht böse sein zu müder Haut; "Chroma-Sphären" klingen so schön nach Musik und wollen garantiert nichts lieber, als zerknitterte Epidermis wieder aufmöbeln; "Enzym-
aktivatoren" kommen doch sicher aus einem Medizin-Umfeld, in dem seriöse Enzyme erlernt haben, fahle Haut zu aktivieren; "Überlebensmoleküle" sind garantiert darauf programmiert, jungen Zellen ewiges Leben einzuhauchen und die intelligente "Silikon-Molding-Technologie" wurde zweifelsohne erfunden, um Wunderwerke an Hautzellen zu vollbringen. Nur die "Murumuru Butter", die so schön weich klingt, verhilft zu - na, was auch immer.
Auch wenn uns die Vernunft sagt, dass nicht alles stimmen kann, was da versprochen wird, so glauben wir dennoch nicht ungern an manche Verheißung. Jedenfalls verbringen Frauen laut Statistik im Durchschnitt 400 Stunden pro Jahr mit dem Reinigen, Cremen, Klopfen, Massieren und sonstiger Pflege ihres Äußeren. Noch ein kleiner Vergleich ist augenfällig. Alle 60 Sekunden wird bei ebay eine Lampe verkauft, aber in jeder Sekunde gehen auf diesem Planeten 23 Lippenstifte über den Ladentisch.
An neuen Formeln, um im Geschäft mit der Schönheit weiter zu kommen, wird weiter fieberhaft gearbeitet. Das sind Zukunftsaussichten, die uns durchaus fröhlich stimmen. Und mittlerweile können wir ohnedies aus dem Vollen schöpfen. Texturen, die versprechen, Falten zu minimieren, Wimperntuschen, die 24 Stunden halten wollen und Lippenstifte, die fast alles überstehen, gibt es zur Genüge. Man muss sich nur ein wenig durchprobieren.
Das ist zwar nicht immer leicht, weil viele Erzeugnisse komplizierte englische und französische Namen haben, "welche aufwerten und Internationalität signalisieren sollen," (Untersuchung zur Werbesprache). Aber es macht die Sache wesentlich eleganter. Hautfurchen reagieren wahrscheinlich besser, wenn sie auf einen "Reducteur Rides" treffen, als auf einen banalen "Falten-Reduzierer". Da viele Cremen und Seren auch noch "ultra", "multi", "intensiv" oder "super" sind, fordern sie eine Überprüfung geradezu heraus.
Der tabellarisch erfasste Test ist allerdings kein herkömmlicher. Ganz im Gegenteil. Er ist subjektiv, weit weg von wissenschaftlicher Theorie und ganz nah an jener Verbraucherin, die Humor genug hat, um vieles nicht ganz so eng zu sehen. Es mag auch ein wenig verwegen sein, hoch preisige Depot-Kosmetik mit Produkten, die in Drogeriemärkten zu kaufen sind, in einem Atemzug zu nennen. Andererseits gehört es zum Alltag der Verbraucherinnen, Hoch- und Niedrigpreisiges bunt gemischt im Badezimmerschrank zu stapeln. Sämtliche Preise sind durchschnittlich empfohlene Verkaufspreise.
Bleiben noch manch kuriose Begriffe, die sich zuweilen in die Kosmetik verirren. "Nahrologie" ist keine neue Ernährungs-Lehre, sondern eine Pflegeserie von Garnier; das "Hypnose Drama" keine Tragödie, sondern eine Volumen-Wimperntusche von Lancome und der Face Sculptor arbeitet ohne Skalpell, weil es sich um ein Make-Up von Helena Rubinstein handelt.
Mangels Beratung haben Produkte aus den Drogeriemärkten mitunter praktische Hinweise. Nivea Visage etwa gibt auf seinen Creme-Kartons eine Altersempfehlung in Form einer Farb-Leiste. Und LOreal zeigt auf der Hülle der Revitalift-Creme in Wort und Bild, wie hilfreich fachgerechte Massagegriffe beim Auftragen sind.
Das Resumee nach all dem Schmieren, Einarbeiten, Tuschen, Malen, Streichen und Abschminken ist allerdings am Besten mit einer schlichten Lebensweisheit zusammen zu fassen. "Auch mit 60 kann man noch aussehen wie mit 40, nur dauert es etwas länger."
Zum Anklicken:Der gesamte Test