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Im Rust Belt blieb Trumps Job-Wunder aus

Von Ronald Schönhuber

Politik

2016 hatte Donald Trump in Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und Ohio gewonnen, weil er viele neue Jobs und ein Comeback der alten Industrieregionen versprochen hatte. Auf den Aufschwung warten die Menschen aber auch heute noch.


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Das Covelli Center wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein Ort, an dem denkwürdige Ereignisse passieren. Zwar sind hier schon Kelly Clarkson, Elton John und Guns n’ Roses aufgetreten, doch in erster Linie dient die 2005 eröffnete Mehrzweckhalle als Heimat der Youngstown Phantoms. Das Nachwuchs-Team, das 2017 erst im Finale der US-Junioren-Eishockey-Liga gescheitert ist, war in der letzten Saison bereits in der ersten Runde ausgeschieden.

Am 25. Juli 2017 ist das Covelli Center dennoch Schauplatz einer Veranstaltung gewesen, die nicht nur den knapp 7.000 Menschen im Publikum bis heute in Erinnerung geblieben sein dürfte. Denn damals hatte hier nicht nur der gerade erst ein paar Monate im Amt befindliche Präsident gesprochen. Donald Trump gab vor seinen Anhängern, die aus ganz Ohio nach Youngstown gekommen waren, auch ein großes Versprechen ab. Die in den vergangenen Jahrzehnten zu Zehntausenden verloren gegangenen Jobs, die großen Fabriken und Schwerindustrieanlagen, all das werde wiederkommen. "Zieht nicht weg. Verkauft euer Haus nicht", beschwor Trump die jubelnde Menge. "Es wird passieren."

Schock für die Demokraten

Knapp ein halbes Jahre davor hatten die Menschen, die den Präsidenten so enthusiastisch im Covelli Center feierten, mit dazu beigetragen, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Die weißen Arbeiter im Rust Belt, jener einen langsamen Tod sterbenden Industrieregion im Nordosten der USA, hatten bei den Präsidentschaftswahlen am 8. November 2016 mit großer Mehrheit für den Außenseiter Trump gestimmt. In Ohio, wo die Menschen 2008 und 2012 noch Barack Obama gewählt hatte, gewann der Immobilien-Tycoon aus New York mit fast 9 Prozent Vorsprung vor der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton. Ebenfalls an Trump fielen damals Pennsylvania und Michigan, die beide zuvor knapp 30 Jahre in der Hand der Demokraten waren, sowie Wisconsin.

Dass Trump quasi den gesamten Rust Belt mit einem Handstrich einsammelte, war für die Demokraten ein Schock gewesen. Lebten hier doch vor allem Menschen, die an Gewerkschaften, Arbeiterrechte und einen Anspruch auf gute Löhne glaubten und deren Familien teils schon seit Generationen die demokratische Partei wählten. Doch im Gegensatz zu Hillary Clinton, die für die meisten Blue-Collar-Worker als Inbegriff der abgehobenen Washingtoner Elite galt, setzte Trump aus der Sicht vieler die richtigen Themen und traf den richtigen Ton. Eingerahmt in sein "America First"-Motiv, prophezeite Trump nicht nur die Wiederauferstehung der alten Industrie im Rust Belt. Trump wetterte auch gegen das Freihandelsabkommen Nafta, die Mexikaner, die dies und jenseits der Grenze amerikanische Jobs stehlen, und die seiner Ansicht nach viel zu laxen Immigrationsregeln. Und während viele langjährige Sympathisanten mit den Demokraten haderten, weil diese ihre Meinung nach zu viel über Transgender-Rechte und zu wenig über die Arbeiterklasse redeten, versprach der republikanische Kandidat, das Recht auf freien Waffenbesitz eisern zu verteidigen.

Der große Überschwang ist vorbei

Auch heute stehen viele der Menschen, die damals im Rust Belt für Trump gestimmt haben, ausgesprochen loyal zum Präsidenten. Doch der große Überschwang der ersten Jahre ist vorbei. Und das nicht nur, weil der Präsident die Aura des Neuen und des Unkonventionellen nach vier Jahren im Amt ein Stück weit verloren hat. Viele der von Trump gemachten wirtschaftlichen Versprechen haben sich auch schlicht und einfach als unhaltbar erwiesen. So sind in Lordstown, einem Nachbarort von Youngstown, am 6. März 2019 endgültig die Lichter im lokalen General-Motors-Werk ausgegangen. Die Schließung der Fabrik und den Abbau von 5000 Arbeitsplätzen hatte Trump auch dadurch nicht verhindern können, dass er GM-Chefin Mary Barra mit der Streichung aller staatlichen Subventionen gedroht hatte.

Viele sperren zu

Das GM-Werk, für dessen Aus viele Experten neben einer verfehlten Modellpolitik und langjährigen makroökonomischen Trends auch Trumps Importzölle auf Stahl und Autoteile verantwortlich machen, ist allerdings nur eine von vielen Produktionsanlagen, die in den vergangenen Jahren zusperren mussten. Das gleiche Schicksal ereilte auch Wood-Mode, einen Möbelhersteller aus Pennsylvania, der im Jahr 2019 knapp 900 Mitarbeiter kündigen musste, und den Hygiene-Artikel-Produzenten Kleenex, der 2018 in Wisconsin gleich zwei Fabriken geschlossen hat.

Rust Belt im Rückstand

Die von Trump versprochene Schaffung von neuen Jobs lässt dagegen auf sich warten. So sollen am ehemaligen GM-Werksgelände in Lordstown zwar ab 2022 vollelektrische Pick-up-Trucks mit dem Namen Endurance gebaut werden. Von den 600 Arbeitern, die der neue Hersteller Lordstown Motors in einer ersten Phase einstellen will, haben aber nur wenige bereits einen Vertrag unterschrieben. An frühere Zeiten dürfte das neue Werk aber selbst im Vollbetrieb nicht herankommen. So rechnet Steve Burns, der Kopf hinter den neuen Elektro-Trucks, aufgrund der weniger komplexen Bauweise des Antriebs mit einer maximalen Belegschaft von 1.100 Mitarbeitern.

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Was sich in Lordstown episodenhaft zeigt, spiegelt sich auch in den Zahlen der US-Statistikbehörden wider. Zwischen Jänner 2017 und März 2020 - also der Zeit, bevor die Corona-Krise die US-Wirtschaft nachhaltig in die Knie gezwungen hat - ist die Zahl des Jobs im Bundesschnitt um 4,5 Prozent gewachsen. Weit darunter liegen laut dem Quartely Census of Employment und Wages allerdings die Rust-Belt-Staaten Michigan, Wisconsin und Ohio, die auf einen Zuwachs von zwei Prozent oder weniger kommen.

Jobs entstanden anderswo

Wo die neuen Jobs, die Trump eigentlich den Menschen in den alten Industriegebieten versprochen hat, wirklich entstehen, ist aus den Statistiken ebenfalls ersichtlich. So nahm die Zahl der Arbeitsplätze in Texas und Kalifornien in den ersten drei Jahren der Präsidentschaft Trumps um sechs Prozent zu. Und selbst die lange Zeit strukturschwachen Staaten im Süden haben mittlerweile aufgeschlossen. So entstanden im aufstrebenden Industriecluster, der sich von Tennessee über Alabama bis nach Georgia und South Carolina erstreckt, trotz einer deutlich geringeren Bevölkerungszahl genau so viele Fabriksarbeitsplätze wie im Rust Belt. "Den für Trump wichtigen Battleground-Staaten im Nordosten ist es unter seiner Präsidentschaft nicht gut ergangen", sagt Mark Zandi, Chefanalyst bei der Ratingagentur Moody‘s. "Das war auch schon vor der Pandemie so."

Die Corona-Krise, die landesweit bereits mehr als 230.000 Tote gefordert hat, hat die Ausgangslage für Trump im Rust Belt allerdings noch einmal erschwert. Denn neben Fabriken und Industrieanlagen müssen nun auch noch Restaurants und Geschäfte dichtmachen, weil die Kunden ausbleiben. Und wenn man den Umfragen glaubt, die Herausforderer Joe Biden bei der Wahl am 3. November in Pennsylvania Michigan und Wisconsin voran sehen, machen hier mittlerweile auch viele Menschen, die 2016 noch für Trump gestimmt hatten, den Präsidenten direkt für das schlechte Corona-Krisenmanagement verantwortlich. "Vor vier Jahren war ich Trumps größter Cheerleader", sagt der 66-jährige Bill Bevec, der als Möbelverkäufer in Cortland, Ohio, lebt, der Nachrichtenagentur Reuters. "Aber ich denke, in der Corona-Krise hat er total versagt."