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Im Schatten der EU-Machtzentralen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Eine Untersuchung kritisiert den massiven Einfluss der Finanzindustrie auf Gesetzgebung der Union.


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Brüssel. Mit geballter Feuerkraft in die Machtzentralen der EU: Die Finanzlobby verfügt in der Europäischen Union über erheblichen Einfluss. Dafür stellt die Branche sowohl Mittel als auch Personal zur Verfügung. Um ihre Interessen in Brüssel zu vertreten, gibt sie jährlich an die 123 Millionen Euro aus und beschäftigt mehr als 1700 Lobbyisten. Zu diesen Erkenntnissen kommt eine Untersuchung von Corporate Europe Observatory (CEO). Die Organisation, die sich für transparentes Lobbying einsetzt, führte die Studie im Auftrag der Europabüros des Gewerkschaftsbundes ÖGB und der Arbeiterkammer (AK) durch.

Nichtregierungsorganisationen, Konsumentenschützer oder Gewerkschaften können bei solchen Summen kaum mithalten, führt CEO aus. Auch sie versuchen zwar, auf die EU-Gesetzgebung einzuwirken und geben dafür pro Jahr rund vier Millionen Euro aus. Doch im Vergleich dazu setze die Finanzindustrie 30 Mal mehr Geld und Personal ein. Die AK beispielsweise, die nach Aussagen von deren Direktor Werner Muhm immerhin zu den "Top 50" in Brüssel gehört, lässt sich ihr Büro dort 700.000 Euro jährlich kosten. Der ÖGB gab die Höhe seiner Ausgaben für die Lobbyarbeit bei den EU-Organen für 2012 mit 200.000 bis 250.000 Euro an.

Der Finanzsektor hingegen ist laut CEO mit 700 Organisationen vertreten, die unter anderem PR- oder Beraterbüros für Unternehmen und Wirtschaftsverbände umfassen. Diese Zahl liefere eine der Erklärungen dafür, warum sich die Reformen im Finanzsektor, deren Notwendigkeit die Krise gezeigt habe, als so schwierig erwiesen hätten, meint einer der Studienautoren, Kenneth Haar: "Die Feuerkraft der Finanzlobby, um Reformen zu verhindern, wurde in allen wichtigen Schlachten um die Finanzmarktregulierungen sichtbar."

Allerdings räumen sowohl EU-Parlamentarier als auch Beamte der EU-Kommission ein, dass sie immer wieder auf die Expertise von Interessensvertretungen zurückgreifen. Doch auch dabei ortet CEO zuviel Einfluss der Finanzbranche: Deren Repräsentanten würden 15 von 17 untersuchten Expertengruppen dominieren, die die EU-Institutionen beraten. Zu den Ländern wiederum, die die meisten Organisationen unterhalten, gehören Großbritannien, Deutschland und Frankreich, gefolgt von den USA. Einen Bruchteil machen österreichische Gruppierungen aus: insgesamt 20.

Wie viele Lobbyisten es aber tatsächlich gibt, ist schwer zu beziffern. Nach manchen Schätzungen können es bis zu 20.000 Menschen sein. Denn um ihre Tätigkeit auszuüben, müssen sie diese nicht unbedingt anmelden. Allein von den 700 Organisationen, die CEO gezählt hat, ist mehr als die Hälfte nicht registriert.

Diese Unübersichtlichkeit ist es auch, die Vereinigungen wie CEO besonders anprangern. Es gibt zwar ein sogenanntes Transparenzregister, eingerichtet von EU-Parlament und -Kommission. Doch die Eintragung darin ist freiwillig. Im Vorjahr war eine Arbeitsgruppe um Verbesserungen bemüht, eine Verpflichtung zur Registrierung hat sie jedoch nicht erreicht. Derzeit umfasst die Liste rund 6500 Organisationen. Wirtschafts- und Berufsverbände sowie Unternehmen machen davon etwas weniger als die Hälfte aus. Nichtregierungsorganisationen gibt es etwa 1670.