Im Schatten der Schwester CSU spielt sich derzeit ein ähnliches Drama in der Berliner CDU ab. Da wird ein Fraktionsvorsitzender in der laufenden Legislatur von den eigenen Kollegen gestürzt. Dann tritt der Parteivorsitzende unvermittelt zurück. Da ziert sich die favorisierte Nachfolgerin, weil ihr nicht gefällt, wie die Parteifreunde intern miteinander umgehen. Und dies alles vor dem Superwahljahr 2009 mit Europa- und Bundestagswahl. Die Zeiten, in denen die 40-Prozent-CDU mit Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen die Bürgermeister stellte, sind vorbei. | Das Drama begann mit der Bankenkrise im Jahr 2000. Der SPD gelang es, den Skandal einem einzigen Menschen in die Schuhe zu schieben, dem verhassten Fraktionschef der CDU, Klaus Landowsky. Zusammen mit Eberhard Diepgen war es ihm in den 80er-Jahren gelungen, aus einer miefigen Honoratiorenriege eine moderne, liberale Großstadtpartei zu formen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Landowsky musste alle Ämter zurücklegen. Die SPD, damals noch Juniorpartner in der Großen Koalition, stürzte mit Hilfe der Grünen und der PDS Eberhard Diepgen.
Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2001 landete die CDU mit einem Minus von 17 Prozent nur knapp vor der PDS. Die Folge dieses Desasters: Interne Machtkämpfe und Verschleiß der Spitzenleute. Für die Wahlen 2006 holte man nach zähem Ringen Friedberg Pflüger von der Bundesebene als Spitzenkandidaten. Doch Pflüger verlor noch einmal 2,5 Prozent. Da er sich jedoch so selbstlos zur Verfügung gestellt hatte, wurde er mit dem Amt des Fraktionsvorsitzenden belohnt.
Ingo Schmitt, 51-jähriger Rechtsanwalt und langjähriger CDU-Funktionär, hatte den Parteivorsitz übernommen. Anfang September 2008 kündigte Pflüger an, beim CDU-Parteitag im Frühjahr 2009 gegen Schmitt anzutreten und für den CDU-Landesvorsitz selbst zu kandidieren. Ein Bumerang: Die mächtigen Bezirkskaiser brachten Pflüger zu Sturz. Doch einen Monat später trat auch sein Gegenspieler Schmitt zurück. Die Hauptstadt-CDU steht nun strategisch, inhaltlich und personell vor einem Trümmerhaufen. Pflügers Annäherung an die Grünen ist vorerst gestoppt, die Mehrheit also in weite Ferne gerückt. Politisch-inhaltlich wird zwar allenthalben ein Konzept gefordert, doch keiner hat bisher eines geliefert.
Und personell? Ein möglicher Kandidat wäre Peter Kurth, Staatssekretär unter Diepgen in Berlin. Doch ihm fehlt der Rückhalt der Parteibasis. Wenn die Findungskommission nicht zu einer "Außenlösung" kommt, gilt Monika Grütters als heißer Tipp. Die Kunsthistorikerin und Bundestagsabgeordnete wird von den Intellektuellen der Hauptstadt geschätzt und verkörpert einen modernen Frauentyp, der neue Wählerschichten erschließen könnte.
analyse@wienerzeitung.at