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Im Schatten des Grand Prix

Von WZ-Korrespondentin Iris Mostegel

Politik
Will nicht mehr schweigen: Aktivistin Shehabi.
© Privatarchiv/Shehabi

Die Aktivistin und Wirtschaftswissenschafterin Ala’a Shehabi kämpft im autoritären Königreich Bahrain für mehr Demokratie.


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Manama. So richtig begonnen hatte alles, als bahrainische Sicherheitskräfte vor drei Jahren ihren Ehemann verhafteten. Warum bist du mit dieser Frau verheiratet, fragten sie ihn. Dann brachten sie ihn ins Gefängnis, wo er zehn Monate blieb; die Spuren der Folter, erzählt die 33-jährige Ala’a Shehabi, seien noch heute auf seinem Rücken zu sehen.

Als ihr Mann verhaftet wurde, arbeitete Shehabi noch an einer Privatuniversität in Bahrain als Lektorin für Wirtschaftswissenschaften. Wenig später jedoch teilte man ihr dort mit, dass sie nicht mehr erwünscht sei. "Warum?", fragte Shehabi den neuseeländischen Rektor. "Weil Sie ein Risiko für uns sind", war seine Antwort. Und damit war sie entlassen. Nun begann sie erst so richtig, sich zu engagieren: Am Aufstand in Bahrain Februar 2011, als eine Bürgerbewegung von der regierenden Herrscherdynastie Al Khalifa Mitsprache und gleiche Rechte für alle einklagte, hatte sie zwar schon teilgenommen, doch es waren erst die Verhaftung ihres Mannes und ihre eigene Entlassung, die Shehabis politisches Bewusstsein zu politischem Aktivismus werden ließen.

Sie gründete Bahrain Watch, eine Aktivistenplattform mit derzeit zehn Mitarbeitern - Rechtsexperten, Politologen und Journalisten, alle ehrenamtlich, die minutiös dokumentieren, was sonst nirgendwo dokumentiert ist. Zum Beispiel, wie Blogger vom Staat mit Spionage-Software ausgeforscht werden oder welche internationalen Firmen das Regime mit Waffen beliefern.

Ein anderes Projekt der Organisation nennt sich "PR Watch": Dort recherchiert man, welche westlichen PR-Firmen die Regierung nach dem Aufstand 2011 unter Vertrag genommen hat und worin deren Dienstleistungen eigentlich bestehen. Gefunden haben sie etwa Pro-Regime-Artikel in internationalen Medien, deren Verfasser nicht unabhängig waren, sondern unter Vertrag mit den von Bahrain beauftragten PR-Firmen standen. Ähnlich sei es, erzählt Shehabi, mit scheinbaren Informations-Portalen wie bahrainfacts.org, die in Wahrheit eine PR-Agentur bespiele. In allen Fällen, so Shehabi, würden die aus den USA und Großbritannien angeheuerten PR-Firmen das Narrativ des Regimes wiedergeben: Bahrain sei ein Reformland und die schiitische Opposition gewaltbereit mit Verbindungen zum Iran. Innerhalb von eineinhalb Jahren wurden PR-Verträge im Wert von 32,5 Millionen US-Dollar abgeschlossen.

In diesen Tagen ist die staatliche PR-Maschinerie besonders aktiv, gilt es doch, am Wochenende im internationalen Scheinwerferlicht rund um den Grand Prix der Welt zu zeigen, wie demokratisch man geworden sei. In Wirklichkeit hat das Regime aber alle Hände voll zu tun, die Lage im Land im Griff zu halten. Diese ist gekennzeichnet durch tägliche Straßenproteste, Foltervorwürfe und seit einigen Monaten auch immer mehr Gewalt; hervorgerufen auch durch wütende Demonstranten, die ihrerseits Sicherheitskräfte attackieren.

Bürgerbewegung mit Hilfe der Saudis niedergeschlagen

Seit dem Aufstand von 2011, den die Herrscherfamilie Al Khalifa nur mit Hilfe saudischer Truppen niederschlagen konnte, sind mehr als drei Jahre vergangen. Zu einer politischen Einigung mit der Opposition - eine ihrer Forderungen: reale und nicht nur kosmetische Mitsprache - ist es allerdings noch immer nicht gekommen. Das sowie die ausnehmend repressive Gangart gegen Oppositionelle im Zuge neuer "Terrorismus-Gesetze" haben seit vergangenem Jahr zu noch mehr Wut geführt, die sich jetzt immer öfter in Gewalt entlädt.

Die Grundzutaten des Konflikts in dem kleinen Inselstaat Bahrain - er ist halb so groß wie London - wären auch ohne Gewalt schon delikat genug: fehlende Demokratie und ein sunnitisches Herrscherhaus, von dem sich die schiitische Bevölkerungsmehrheit diskriminiert fühlt. Sie beklagen höhere Arbeitslosigkeit, weniger Aufstiegschancen und eine weitaus schlechtere Wohn-Infrastruktur als die der sunnitischen Bahrainis. Verschärft wird der Unmut durch die staatliche Sunniten-Einbürgerungspolitik, die das demografische Gefüge zu Lasten der Schiiten - derzeit sind es laut Schätzungen rund 65 Prozent - schleichend verändert.

Die andere Grundzutat des Konflikts ist die Demokratie: Zwar gibt es ein Parlament, das ist aber zahnlos. Geht es um substanzielle Entscheidungen, hat das Herrscherhaus das Sagen: Sei es König Hamad bin Isa Al Khalifa selbst oder sein Onkel, der Premier, der seit 43 Jahren im Amt ist.

Oft, sagt Shehabi, hätte die Regentenfamilie Al Khalifa in den vergangenen Jahrzehnten demokratische Reformen versprochen, tatsächlich auch einige Male Schritte in diese Richtung unternommen, nur um wenig später retour zu gehen. "Ich will Ergebnisse sehen", sagt sie. Diesen Satz wiederholt sie immer wieder.

Ihr jüngstes Projekt heißt "Stop the Shipment", also "Stoppt die Lieferung", nämlich die Lieferung von Tränengas. Nachdem Bahrain beim Aufstand 2011 zunächst mit Panzern und scharfer Munition aufgefahren war, erkannte man nach dem weltweiten Aufschrei, dass sich andere Mittel gegen Demonstranten besser eignen, so auch Tränengas, das als nicht-letale Waffe gilt. Shehabi sagt aber, dass das Tränengas auf letale Weise eingesetzt werde; etwa, indem Sicherheitskräfte die Geschosse direkt auf den Kopf von Demonstranten zielen würden. Das Regime verneint: Tränengas werde "in voller Befolgung international akzeptierter Standards" verwendet. Als Shehabis Organisation vergangenen Oktober ein Dokument zugespielt wurde, wonach Bahrain einen neuen Auftrag für die Lieferung von 1,6 Millionen Tränengasgeschossen ausgeschrieben hatte - bei ganzen 1,3 Millionen Einwohnern -, lancierten sie eine Kampagne, die sich unter anderem auch gegen zwei südkoreanische Firmen richtete. "Stop the Shipment" hatte Erfolg: Südkorea ließ die Lieferung stoppen.

Karneval mit vielen Schattenseiten

Shehabi und ihre Mitstreiter versuchen derzeit, die recherchierten Informationen weltweit publik zu machen - angesichts der vielen internationalen Konflikte, von denen manche noch brutaler sind als die in Bahrain, eine schier unlösbare Arbeit. Wie positioniert man sich unter all den Krim-Nachrichten oder 529 Todesurteilen gegen Muslimbrüder, lautet die Frage, die Shebabi umtreibt.

Am Wochenende, wenn der Grand Prix über die Bühne geht, wird Bahrain jedenfalls in den Schlagzeilen sein, denn die Opposition wird alles daransetzen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Aller PR zum Trotz. Denn das staatliche Sprachorgan Bahrain News Agency ließ jüngst verkünden, dass der Grand Prix "eine Gelegenheit für globale kulturelle Interaktion" sei, in dem sich Bahrains Straßen zu einem "prächtigen Karneval" verwandeln würden. Auch die deutsche Band Scorpions tritt auf. Vielleicht singen sie ja ihr berühmtes "Wind of Change". In Erinnerung an jenen Wind der Veränderung, für den Shehabi kämpft.