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Im Schraubstock

Von Michael Schmölzer

Politik

Der griechische Premier Alexis Tsipras steht von zwei Seiten unter Druck. Internationale Gläubiger und die Basis in Griechenland setzen ihm gleichermaßen das Messer an. Einen Vorgeschmack auf Proteste hat es in Athen gegeben.


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Athen/Brüssel/Wien. Kurz vor der möglichen Staatspleite erhöhen die Gläubiger den Druck auf Griechenland. Die Verhandler auf beiden Seiten haben jetzt de facto nur noch sieben Tage Zeit, um zu einer Lösung zu kommen. Die entscheidende Sitzung der Finanzminister der Währungsunion findet am 18. Juni in Luxemburg statt. Das ist der Tag X, denn bis Monatsende bleibt nicht mehr viel Zeit, wenn das Abkommen noch von nationalen Parlamenten abgesegnet werden muss.

Die Gläubiger mahnen zur Eile und fordern Athen deutlicher denn je auf, die Anstrengungen zu erhöhen. Noch gibt sich die Regierung unter dem linken Syriza-Premier Alexis Tsipras gelassen und lenkt nicht wesentlich ein. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt die Botschaft der EU-Granden in Brüssel, eine Einigung ist immer noch möglich. Der IWF aber, der wie die EZB und die EU-Kommission mit Athen verhandeln, hat die Gespräche gestern sogar abgebrochen. Es gebe zu wenig Fortschritt, hieß es.

Kein "Grexit"

Über einen Plan B wird offiziell nicht gesprochen - vor allem nicht über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Laut einem Bericht der "Bild" sollen sich die deutschen Koalitionsspitzen darauf geeinigt haben, anstelle eines dritten Rettungspaketes das zweite Hilfsprogramm zu verlängern. Das wird auch von Athen erwogen. Weil die 7,2 Milliarden Euro aus dem Ende Juni ablaufenden Programm aber kaum ausreichen, um Griechenland über den ganzen Sommer zu retten, könnten 10,9 Milliarden Euro, die zur Banken-Rettung in Griechenland vorgesehen waren, umgewidmet werden,

In der Reihen derer, die Griechenland warnen, steht Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling ganz vorne: Athen mögen pokern aber bitte bedenken, dass man dabei verlieren kann, so der ÖVP-Mann. "Niemand kann sich ein Scheitern leisten", warnt auch der französische Finanzminister Michel Sapin. "Die Zeit läuft ab und das Risiko einer Staatspleite wächst von Tag zu Tag", stößt der Deutsche-Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ins gleiche Horn.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat ihren Optimismus nicht verloren, immerhin bestehe "absolute Einigkeit" darüber, dass Griechenland "jetzt mit Nachdruck und Hochdruck weiter mit den drei Institutionen arbeiten wird". Das war nicht immer so, zu Beginn des Schuldstreits hatte die linke Regierung in Athen erklärt, mit der "Troika" - EZB, IWF und EU-Kommission - nicht mehr kooperieren zu wollen.

Syriza-Frontmann Alexis Tsipras steht allerdings auch in Griechenland unter massivem Druck, sich nicht über den Tisch ziehen zu lassen. Die Gefolgsleute des Premiers sind gewillt, im Notfall einzugreifen - sollten die Verhandlungen mit den Gläubigern in die falsche Richtung laufen. Und weil Tsipras in Brüssel Zugeständnisse machen muss, wenn er an das dringend benötigte neue Geld kommen will, wird es aus Sicht der Parteilinken in die falsche Richtung gehen.

Kämpferische Basis

Teile der Basis in der heterogenen Syriza-Partei bestehend aus Gewerkschaftern, Marxisten, Trotzkisten und früheren Grün-Politikern erheben bereits drohend die Faust. Ein Einlenken auf die Forderungen der Gläubiger - Einsparungen bei den Pensionen, weniger Löhne und Privatisierung von Staatseigentum - soll es mit ihnen nicht geben.

Am gestrigen Donnerstag hat Tsipras einen ersten Vorgeschmack darauf bekommen, was ihm droht. Aus Protest gegen die Sparpläne haben 200 Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaft Pame das Finanzministerium in Athen besetzt. Wie das Fernsehen zeigte, hängten die Demonstranten ein Transparent an die Fassade des Gebäudes. "Wir haben genug geblutet! Wir haben genug gezahlt!", ist darauf zu lesen. Staatsbedienstete gingen auf die Straße, um gegen befürchtete Einschnitte zu demonstrieren. Die Beamten haben in den letzten Jahren bereits enorme Opfer bringen müssen - Massenkündigungen und Gehaltseinbußen inbegriffen.

Die Vergangenheit lehrt, dass in Griechenland bei unpopulären Entscheidungen der Regierung nicht nur Staatsdiener und Gewerkschafter auf die Straße gehen. Sollte sich Tsipras auf einen "faulen Kompromiss" einlassen, wird mit großer Wahrscheinlichkeit die autonome Szene mobilmachen. Die ist groß und gewaltbereit. Zuletzt haben im Februar Mitglieder des berüchtigten "Schwarzen Blocks" im Rahmen einer eigentlich friedlichen Demonstration Schaufenster-Scheiben eingeschlagen Autos zerstört und Müllcontainer angezündet. Krawalle wären also vorprogrammiert. In den letzten Jahren hat es zudem Bombenanschläge gegeben.

Doch vorerst machen nicht jugendliche Randalierer, sondern gesetzte Männer im Talar Tsipras das Leben schwer. Der Verwaltungsgerichtshof hat geurteilt, dass die im Rahmen des Sparprogramms vor drei Jahren verhängten Pensionskürzungen verfassungswidrig sind und zurückgenommen werden müssen. Nach Schätzungen der griechischen Finanzpresse muss der Staat nun pro Jahr etwa 1,5 Milliarden Euro mehr aufbringen. Es gibt schon die Zusicherung der Regierung, dass man die Vorgaben einhalten wolle.

Unterdessen hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach einem handfesten Streit mit Tsipras wieder zu seiner guten Laune zurückgefunden: "Die Kuh muss vom Eis, aber sie rutscht dauernd aus", charakterisiert er die laufenden Verhandlungen mit Athen. Dem Vernehmen nach herrscht zwischen dem Luxemburger und dem weiter hoch pokernden Griechen jetzt wieder bestes Einvernehmen.