Finanzministerin Maria Fekter entlarvt den steuerschonenden "Golden Handshake" als Schwachstelle der Gerechtigkeit. Sommerliches Fazit: Sie traut sich was.
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Ein typisches Merkmal asiatischer Gesellschaftsstrukturen ist der funktionierende Familienverband. Wenn schon sonst nichts da ist, in der Familie wird selbst in größten Notlagen überwintert. Im Gegensatz dazu ist die Familie in den meisten Wohlstandsländern des Westens selbst zum Krisenherd geworden, bloß in Österreich schreitet jene Macht wohltuend ein, auf die jedermann vertraut: der Staat.
In Jahrzehnten hat er Spinnweben geflochten, die die modernen Vernetzungen der "Social Media" glatt in den Schatten stellen. Niemand weiß genau, wie Österreichs Sozialsystem funktioniert, aber es meldet sich als Sozialmäzen pünktlich zur Stelle, wenn Maßnahmen gegen die "soziale Kälte" eingemahnt werden. Das machen soeben die Verbandslobbyisten, die "Schwamm drüber" fordern, wenn in den Jahren 2006 und 2007 Familien nachweislich überhöhtes Kindergeld bezogen haben. Dafür sollen jetzt andere zahlen.
Das Netz ist auch im Bereich Altersversorgung im Betrieb und entfaltet schon lang vor Anbruch des Alters seine Wirkung. Die Menschen entwickeln spätestens in den Fünfzigern ihres Lebens den heftigen Drang in die Pension. Das Pensionsantrittsalter will nicht und nicht steigen, obwohl sich vergangene Regierungen darum bemüht oder zumindest darüber debattiert haben.
Was die Finanzministerin Maria Fekter mitten im Hochsommer dazu treibt, das steuerliche Tabu des "Golden Handshakes" anzufassen, liegt vielleicht in ihrer in der innenministeriellen Ära der Ausländerpolitik erlernten Freude am Widerstand.
Ihr Vorschlag ist vernünftig, selbst wenn sich diese Debatte als typisches Sommerthema rasch verflüchtigen sollte. Die Menschen drängen nicht nur in die Frühpension, sie werden sogar dazu gedrängt, wobei die finanziellen Folgen in das Pensionskassendefizit ausgelagert werden. Dieses decken dann alle, die noch immer arbeiten und Steuern zahlen. Sie finanzieren für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die soziale Tat der Steuererleichterung für vergoldete Abfertigungen mit. Die äußere Optik bleibt schön und wirkt sich sogar auf die Arbeitslosenstatistik aus. Sie sinkt. Österreich hat einen Spitzenplatz in der EU.
Sollte jemand im dichten Filz betriebswirtschaftlicher Nöte, staatlichen Beistandes und der Sorgen der Pensionsmathematiker die Frage der Gerechtigkeit je beantwortet haben, so ist er schon gestorben und hat die Lösung ins Grab mitgenommen. Da mögen die Kammern Pläne für die Verlängerung der Arbeitslust entwerfen, sie nützen nichts, weil die Jobs dazu fehlen, zumal selbst staatliche und halbstaatliche Unternehmen die Mitarbeiter steuerschonend in die Frühpensionen entsorgen. Und wenn doch einmal, was tatsächlich schon vorkam, eine vernünftige Pensionsreform unter Einrechnung der erhöhten Lebenserwartung zu Stande kommt, wird flugs die Hacklerregelung zur sozialen Abfederung erfunden, worauf der Sozialminister ein paar Jahre braucht, um sich selbst und dann die Betroffenen mit der Wirklichkeit vertraut zu machen.
Fekter hat nur einen einzigen Faden des österreichischen Sozialknäuels herausgezogen und, was fast schon ein Wunder ist, eine Debatte ausgelöst.
Das kann freilich nicht alles sein. Die Bürger warten gespannt, wie sie mit der Totalität eines Systems wohlerworbener Ansprüche insgesamt fertig werden wird.
Der Autor ist Sprecher der Initiative Qualität im Journalismus; zuvor Journalist für "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".