Friedensnobelpreisträger Barack Obama hat sich in Syrien und im Irak äußerste Zurückhaltung auferlegt. Genau das wird ihm jetzt zum Verhängnis.
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Die Chance, dass der amtierende US-Präsident als Mann des Friedens in die Geschichte eingehen wird, hat sich dramatisch verringert. Obama wollte den US-Militäreinsatz im Irak beenden, doch jetzt muss er beinahe hilflos zusehen, wie es schrittweise zur Neuauflage jenes Krieges kommt, der tausenden US-Soldaten 2003 - 2011 das Leben gekostet hat. Und den man in den USA am liebsten vergessen würde. Der US-Präsident wirkt ohnmächtig, wie jemand, den die Ereignisse vor sich hertreiben. Wie einer, der sich langsam und unaufhaltsam im Spinnennetz des Krieges verheddert. Dafür sorgt schon US-Verteidigungsminister Chuck Hagel: Die Terrorgruppe Islamischen Staat (IS) sei eine extreme Bedrohung für die USA selbst, so Hagel, ihre Effizienz und Gefährlichkeit "übersteige alles bisher Dagewesene".
Er mag, wie viele US-Amerikaner, die schockierenden Bilder der Enthauptung des US-Journalisten James Foley vor Augen gehabt haben: Eine Kampfansage an die USA, die Washington nicht unbeantwortet lassen kann. Und jetzt geht es plötzlich nicht mehr nur um den Irak sondern auch um Syrien, wo IS stark ist; wo weiterhin ein blutiger Bürgerkrieg tobt und wo die Terrorgruppe zu der Bedrohung wurde, als die sie sich jetzt darstellt. Wenn man hier nicht ansetzt, sagt Hagel, wird man das Übel nicht beseitigen. Damit wird ein US-Militäreinsatz auch in Syrien wahrscheinlicher – etwas, was Obama noch im vergangenen Jahr mit aller Kraft verhindert hat. Damals sollte es freilich gegen Diktator Bashar al-Assad gehen, der jetzt der Nutznießer eines US-Militäreinsatzes wäre. Immerhin ist IS einer seiner Hauptfeinde.
Mit ein paar zusätzlichen "Militärberatern", die Obama ursprünglich nach Bagdad schicken wollte und einigen Luftschlägen wird es jedenfalls nicht getan sein. Es ist wahrscheinlich, dass Delta-Forces und Navy Seals zum Einsatz kommen, um IS direkt zu bekämpfen und zu schwächen. Obama kann sein Versprechen, es werde kein US-amerikanischer Soldatenstiefel mehr irakischen Boden berühren, nicht einhalten. Bald könnten sich die USA in einer kriegerischen Auseinandersetzung wiederfinden, deren Ausmaß und Dauer beträchtlich wäre.