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Zehn EU-Staaten wollen sich im September auf eine Besteuerung von Finanztransaktionen einigen.
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Luxemburg/Brüssel. Totgesagte leben länger: Auch wenn sich diese Binsenweisheit in etlichen EU-Vorhaben bestätigt, die im Laufe der Jahre immer wieder in mehr oder weniger abgeänderter Form in den Debatten auftauchen, war es in diesem Fall dann doch eine Überraschung. Denn die Pläne zur Besteuerung von Finanztransaktionen hatten schon einen derart mühevollen Weg hinter sich, dass dieser in einer Sackgasse zu enden schien. Schon von Anfang an war der Widerstand groß: Der britische Premier David Cameron bezeichnete die Idee schlicht als "verrückt", und auch andere Länder wie Schweden oder Luxemburg hielten sich mit ihrer Kritik nicht zurück. Eine EU-weite Einführung der Maßnahme, die nach den damaligen Schätzungen der EU-Kommission jährliche Einnahmen in Höhe von bis zu 57 Milliarden Euro gebracht hätte, ist damit verhindert worden.
Nach monatelangem Ringen schlossen sich dann elf Mitgliedstaaten zusammen, die das Projekt trotzdem vorantreiben wollten. In der Gruppe fanden sich neben Deutschland und Österreich auch Frankreich, Belgien, Slowenien, Portugal, Griechenland, die Slowakei, Italien, Spanien und Estland. Gegen diese Initiative klagte Großbritannien sogar vor dem Europäischen Gerichtshof - und wurde abgewiesen.
Doch auch im Kreis der zunächst elf Willigen, aus dem später Estland ausscherte, gestaltete sich die Zusammenarbeit oft zäh. Seit mehr als drei Jahren beraten die Länder über die Ausgestaltung und den Umfang der Börsensteuer. Es gab Diskussionen um eine stufenweise Einführung, um das Ausklammern bestimmter Geschäfte wie Wetten auf steigende oder fallende Aktienkurse und um Ausnahmen für den Markt der Staatsanleihen. Sogar Österreichs Vertreter, der die Arbeit der Gruppe koordiniert, klang zuletzt resigniert: Wenn es bis Juni keine grundlegende Entscheidung gebe, "brauchen wir frischen Wind", erklärte Finanzminister Hans Jörg Schelling vor wenigen Wochen und machte klar, dass er bereit sei, den Vorsitz abzutreten.
Spekulationen eindämmen
Einen Versuch wollte er jedoch noch starten. Und die Sitzung am Rande eines Treffens mit Amtskollegen aus der Euro-Zone brachte nun einen Erfolg. Alle beteiligten Staaten stimmen dem österreichischen Kompromissvorschlag zu, berichtete Schelling nach der Zusammenkunft in Luxemburg. Eine endgültige Entscheidung erwarte er sich im September. "Wir sind auf den letzten hundert Metern, und die legen wir im Sprint zurück", zitierte der Ressortleiter seinen italienischen Kollegen Pier Carlo Padoan.
Bis dahin seien noch einige technische Fragen zu klären, die Belgien und die Slowakei aufgeworfen hätten. Es geht unter anderem um die Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer auf die Wirtschaft. In Slowenien stehen außerdem noch Beratungen mit dem Parlament an. Finanzminister Dusan Mramor hat bereits betont, dass die Besteuerung "ökonomisch sinnvoll" sein müsse. Der Aufwand dafür dürfe nicht größer sein als der Ertrag.
Umgekehrt kamen aus Deutschland erneut Mahnungen, an dem Projekt festzuhalten. "Ein Scheitern der Gespräche ist nicht akzeptabel", befand der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, im Gespräch mit mehreren deutschen Zeitungen. Die Einführung der Steuer sei ein zentrales Vorhaben der Koalition in Berlin.
Mit der Maßnahme wollen die EU-Mitglieder Börsenspekulationen eindämmen, aber auch ihre Budgets aufbessern. Etliche Banken sind jedoch dagegen und argumentieren damit, dass Geschäfte in andere Länder abwandern könnten. Die geplante Höhe der Abgabe ist sowieso mit der Zeit geringer geworden. Laut dem ersten Vorschlag der Kommission wäre der Steuersatz für den Handel mit Anteilen und Anleihen bei 0,1 Prozent und für Derivate bei 0,01 Prozent gelegen. Nun soll er deutlich geringer ausfallen.
Dafür sollte aber möglichst viel besteuert werden, war zumindest die Meinung in Wien. So sollen grundsätzlich die Umsätze aller Händler in den zehn Staaten umfasst sein, was mit dem Herkunftsprinzip umschrieben wird. Das Ausgabeprinzip wiederum bezieht sich auf die Wertpapiere, die in einem der Länder emittiert werden. Die Anwendung der beiden soll dazu beitragen, Schlupflöcher so klein wie möglich zu halten.
Staatsanleihen sollen allerdings in jedem Fall und bestimmte andere Transaktionen unter Umständen ausgenommen sein. So könnten Aktien, die in einem Land außerhalb der Zehner-Gruppe ausgegeben werden, nicht betroffen sein. Ob dafür eine Übergangsfrist gelten sollte, war bis zuletzt unklar.