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Im steten Angesicht der Revolte

Von Ronald Schönhuber

Politik

Alexis Tsipras muss jeden Kompromiss vor dem linken Flügel seiner Syriza rechtfertigen. Und dort spricht man schnell vom Prinzipienverrat.


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Athen. Während andere schon vor langer Zeit die Geduld mit dem widerspenstigen Partner in Athen verloren hatten, versuchte sich der EU-Kommissionspräsident noch immer als konzilianter Brückenbauer, der den griechischen Premier Alexis Tsipras doch noch ins Boot holt. Doch zuletzt wollte auch Jean-Claude Juncker aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr machen: "Ich verstehe Tsipras nicht", sagt der Luxemburger in einem Interview mit dem "Spiegel".

Der junge griechische Premierminister mag seinen wohl größten Fürsprecher in der EU wohl nur ungern verprellt haben, doch Tsipras muss schon seit Monaten einen diffizilen politischen Balanceakt zuwege bringen. Denn während die internationalen Gläubiger Griechenlands im Gegenzug für neue Hilfsgelder substanzielle Reformen einfordern, stellen für den linken Flügel von Tsipras’ Syriza-Bündnis viele der verlangte Maßnahmen rote Linien dar, die nicht überschritten werden dürfen. Bricht Tsipras nun seine entsprechenden Wahlversprechen - zu diesen gehörten unter anderem, die Pensionen nicht anzutasten und den Sparkurs zu beenden -, dann riskiert er eine offene Revolte in seiner Bewegung.

Vor allem Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, eine der schärfsten Kritikerinnen der Austeritätspolitik, entwickelt sich immer stärker zu einer ernstzunehmenden Rivalin für Tsipras. Vergangene Woche erklärte ein von ihr geleiteter Untersuchungsausschuss die griechischen Staatsschulden für illegal und unethisch.

Vertreter der radikalen Parteilinken haben in diesem Zusammenhang auch immer wieder durchblicken lassen, dass sie es für wichtiger erachten, den Staatsbediensteten und Pensionisten Geld auszuzahlen, als den Verpflichtungen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) nachzukommen. Ende Mai wurde ein Antrag, die IWF-Schulden gar nicht mehr zu bedienen, im Syriza-Zentralkomitee nur knapp mit 95 zu 75 Stimmen abgewehrt. Anhänger der radikalen Linken - darunter ehemaligen Maoisten und Trotzkisten - propagieren zudem bei jeder Gelegenheit den Austritt nicht nur aus dem Euro, sondern auch aus der EU.

Querschüsse von rechts

Insidern zufolge könnte Tsipras einen Kompromiss mit den Geldgebern vor allem dann in seiner Partei durchbringen, wenn er dafür Konzessionen erhält - etwa die Aussicht auf einen weiteren Schuldenschnitt. Sollte am Ende hingegen ein Verhandlungsergebnis stehen, das in weiten Teilen der Partei als demütigend angesehen wird, bleibt Tsipras nur der Weg über ein nationales Referendum. "Falls die Institutionen einen ,Friss oder Stirb‘-Ansatz wählen, müssen wir ein öffentliches Votum einholen", sagt Syriza-Sprecher Nikos Filis. Auch das Wort "Neuwahlen" nehmen Vertreter des linken Syriza-Flügels wie Vize-Arbeitsminister Dimitris Stratoulis immer wieder in den Mund.

Doch nicht nur der linke Parteiflügel bringt Tsipras zuhause in Schwierigkeiten, auch die rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) drohen nun offen mit Revolte. Nach einem Treffen des griechischen Kabinetts erklärte Verteidigungsminister und Anel-Parteiführer Panos Kammenos am Montag, seine Partei werde gegen die diskutierte Erhöhung der Mehrwertsteuersätze für die griechischen Inseln stimmen - auch wenn dies das Ende der Regierungskoalition bedeuten sollte.