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Im Strudel der Strafmaßnahmen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Russland und die USA belegten einander mit Sanktionen, die EU unterzeichnet ein Abkommen mit der Ukraine.


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Brüssel. Dalia Grybauskaite lächelte leicht, als sie ihre Unterschrift auf eine Seite des Buches mit dem dicken blauen Einband setzte. Was die litauische Staatspräsidentin gemeinsam mit 27 weiteren Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnete, war ein Teil eines umfassenden Abkommens der Union mit der Ukraine, das das osteuropäische Land näher an die Gemeinschaft binden soll. Grybauskaite hätte das lieber früher getan, vor vier Monaten etwa, als ihr Land noch den EU-Vorsitz innehatte und die Hauptstadt Vilnius Gastgeber eines Gipfeltreffens war, bei dem der Abschluss des Vertrags mit Kiew den Höhepunkt hätte bilden sollen. Das aber hat der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch verweigert: Zu groß war seine Sorge vor einem finanziellen Gegenschlag Russlands.

Nun - nach Protesten und Straßenschlachten in der Ukraine, nach der Abspaltung der Krim und deren Anerkennung durch den Kreml, nach der Verhängung von Sanktionen gegen Russland - holte die EU demonstrativ nach, was sie Ende des Vorjahres erreichen wollte. Das gewünschte Bekenntnis zu Europa legte freilich nicht mehr Janukowitsch ab, sondern Übergangspremier Arseni Jazenjuk. Und dabei machte er klar, was das tatsächliche Ziel seines Landes sei: ein Beitritt zur Europäischen Union.

Eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine ist jedoch derzeit nicht in Sicht. Zwar drängen einige Länder wie das benachbarte Polen darauf, Kiew eine klare Perspektive darauf zu gewähren. Doch vor allem westeuropäische Staaten sind skeptisch. Das Annäherungsabkommen stehe jetzt einmal für sich, und weitere Entwicklungen seien abzuwarten, erklärte beispielsweise die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dennoch kommt die EU der Ukraine entgegen - auch wenn jetzt nur der politische Teil des Abkommens unterzeichnet wurde, mit dem sich das osteuropäische Land zur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie zu Reformen etwa im Justizbereich oder bei der Bekämpfung der Korruption verpflichtet.

Doch hat die Union ebenfalls schon Handelserleichterungen angekündigt, die sie einseitig einführen kann, noch bevor der umfassende Wirtschaftsteil des Annäherungsvertrags unterschrieben wird. So werden schon in wenigen Wochen Zölle abgebaut und die Märkte teilweise geöffnet, was der ukrainischen Wirtschaft Einsparungen in der Höhe von rund 500 Millionen Euro auf ein Jahr gerechnet bringen soll. Die Maßnahmen sind allerdings auf sechs Monate begrenzt.

Gleichzeitig pochen die EU-Staaten auf die Entsendung einer Beobachtermission der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) in die Ukraine. Das knüpfte Moskau jedoch an einige Bedingungen.

Noch mehr Einreiseverbote

Parallel zu ihren Unterstützungserklärungen für die Ukraine versucht die EU, den diplomatischen Druck auf Russland zu verstärken. Ein geplanter gemeinsamer Gipfel wurde abgesagt. Die Liste der Personen, die mit Einreiseverboten belegt und deren Konten gesperrt werden, wurde auf 33 Namen erweitert. Genannt wird darauf mittlerweile auch ein Regierungsvertreter: der stellvertretende Ministerpräsident Dmitri Rogosin. Zwei Präsidentenberater sowie Duma-Präsident Sergej Narischkin sind ebenfalls betroffen.

Außerdem wurden in Brüssel wirtschaftliche Sanktionen besprochen, von denen die Europäer allerdings am liebsten keinen Gebrauch machen würden. Ein Handelsembargo gegen die Krim ist hingegen nicht ausgeschlossen: Bei ihrem Gipfeltreffen beauftragten die Staats- und Regierungschefs die EU-Kommission, "restriktive Maßnahmen wirtschaftlicher, handelsbezogener und finanzieller Art" vorzuschlagen.

Die USA gingen da bei ihren Strafmaßnahmen einen Schritt weiter. Sie setzten noch mehr Namen auf die Sanktionsliste, die sich gezielt gegen die engsten Verbündeten von Präsident Wladimir Putin richtet. Betroffen sind unter anderem der Milliardär Gennadi Timtschenko, der Direktor der staatlichen Eisenbahngesellschaft Wladimir Jakunin oder Vize-Premier Rogosin. Mit Sanktionen belegt wurde auch die Bank Rossija. Visa und Mastercard haben bereits ihre Zahlungstransaktionen für Kunden des Unternehmens eingestellt. Prompt kündigte Putin an, ein Konto bei der Bank eröffnen zu wollen.

Abhängigkeit vom Gas

Bei dieser Reaktion auf die Strafmaßnahmen ist es aber nicht geblieben. Russland seinerseits belegte US-Spitzenpolitiker mit Einreiseverboten. Ein Regierungssprecher stellte weitere, "ebenbürtige" Sanktionen in Aussicht. Die Ukraine trifft es ebenfalls: Moskau strich die Gasrabatte für den Nachbarn. Doch kündigte es gleichzeitig an, keine Truppen in die Ost-Ukraine zu schicken.

Auf jeden Fall würde es sowohl den Russen als auch den Europäern schwerfallen, mögliche ökonomische Repressalien tatsächlich umzusetzen. Da haben es die Amerikaner, deren Wirtschaft nicht so eng mit der russischen verknüpft ist, schon leichter. Europäische Staaten sind jedoch bei ihren Gasimporten von russischen Lieferungen abhängig - manche sogar zu fast hundert Prozent. Umgekehrt brauchen russische Unternehmen den Zugang zum EU-Markt.

Die Krise um die Krim heizte daher die EU-Debatte um eine Diversifizierung, also eine Ausweitung der Möglichkeiten zur Energieversorgung, an. So drängt die Kommission auf die Errichtung eines tatsächlichen Binnenmarktes, der es den Europäern erleichtern würde, eigene Ressourcen besser zu nutzen. Dafür wären jedoch zusätzliche Quellen sowie Investitionen in die Infrastruktur und neue Technologien nötig.