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H.-C. Strache und seine Fans.
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H.-C. Strache hat auf seiner Facebook-Seite einen Artikel über den Selbstmordversuch eines jungen Syrers in Wien mit dem Kommentar "Fassungslos!" gepostet. Was darauf folgte, nötigte die Staatsanwaltschaft, tätig zu werden. Gegen eine Flut an unsäglichen Hasspostings. Der Platz unter dem Posting zeigt, welche Räume Populisten eröffnen.
"Echokammern" nennt man die Blasen im Netz, wo nur Gleichgesinnte aufeinander treffen und ihre Meinungen gegenseitig bekräftigen. Aber Meinungen sind Haltungen, deren Horizont zumindest noch die Möglichkeit einer anderen Meinung einschließt. Was man aber bei Strache vorfindet, das sind keine Meinungen, sondern Entladungen. Da ist nicht einmal mehr ein Hauch von Argument oder Austausch. Reine Hassexplosionen, emotionale Entladungen, die sich gegenseitig aufstacheln. Das sind nicht einmal mehr Echokammern - das sind Swinger-Clubs der öffentlichen Äußerungen.
Die Rechtspopulisten haben den Raum der öffentlichen Rede nachhaltig verändert und sie haben ihn doppelt beschädigt: Sie haben die Grenze des Sagbaren verschoben und sie haben diesen Raum affektiv enthemmt. Dazu bedurfte es einer langen politischen Vorarbeit.
Diese bestand darin, die Regulierungen des öffentlichen Diskurses zu desavouieren. Die Rechtspopulisten arbeiten seit Jahren daran, die Political Correctness als Moralvorstellung der gesamten Gesellschaft zurückzuweisen. Sie denunzieren jede Art der Regulierung der Öffentlichkeit als parteiisches Machtmittel ihrer Gegner, als Hegemonie einer "linken Meinungsdiktatur" (wie Strache seinem halbherzigen Aufruf zur Mäßigung seiner Poster hinterher setzte).
Es ist dies die groß angelegte Operation einer Umcodierung. Regeln des korrekten, des zivilen öffentlichen Umgangs werden als moralische Diktatur denunziert. Allgemeinverbindliche Wertehaltungen werden in die Herrschaft einer Fraktion verwandelt. Erst damit wird der Verstoß gegen diese zu einem "Aufbegehren".
Damit kann man nicht nur die eigenen Ressentiments ungehemmt ausleben. Damit kann man nicht nur den eigenen inkorrekten Hass schamlos öffentlich artikulieren - damit wird dieser Verstoß vielmehr "legitimiert". Vorurteile, Hasspostings sind dann nicht mehr inkorrekt, sondern "gerechtfertigt". Genauer gesagt: Sie sind, gerade weil sie moralisch inkorrekt sind, "legitimiert": als politischer Einspruch gegen die angebliche Meinungsdiktatur.
Der Tabubruch wird zum politischen Aufbegehren. Das Überschreiten der roten Linie, die die Political Correctness als Befestigung des öffentlichen Raums, als Verstärkung gegen dessen Fragilität, gezogen hat - dieses Überschreiten fantasiert sich als Befreiungsschlag.
Diese Operation der Umcodierung ist eine ganz Grundlegende. Es ist die Umcodierung des Gegensatzes "erlaubt-verboten". Hasspostings sind in dieser Perspektive nicht einfach erlaubt. Sie sind vielmehr erlaubt und verboten gleichzeitig. In dieser Logik ist das Unsägliche, in dieser Logik ist der enthemmte Affekt gerade darum "erlaubt", weil er es von den anderen, das heißt vom Rest der Gesellschaft, nicht ist. Er ist "erlaubt", weil er verboten ist. Willkommen im Swinger-Club der Öffentlichkeit.