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"Im Tschocherl rauchen 95 Prozent"

Von Clemens Neuhold

Politik

Der Obmann der Wiener Gastronomen, Willy Turecek, kämpft als einer der letzten Mohikaner gegen das völlige Rauchverbot.


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Wien. Das Rauchverbot kommt. Das hat Wirtschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in der "Wiener Zeitung" klargestellt. Das Gesetz geht in Kürze in Begutachtung. Das heißt, die Hoffnung der Wirte, nach Allergen-Verordnung und Registrierkassenpflicht wenigstens hier noch verschont zu werden, löst sich in Rauch auf. Offen ist noch die Übergangsfrist bis zum völlig rauchfreien Lokal. Der Wiener Gastronomie-Obmann in der Wirtschaftskammer, Willy Turecek, kämpft seit fast zehn Jahren dagegen. Er selbst ist Nichtraucher.

"Wiener Zeitung": Haben Sie noch Hoffnung, dass die Trennung in Raucher- und Nichtraucherbereich hält, oder haben Sie sich mit dem Rauchverbot abgefunden?Willy Turecek: Die Hoffnung stirbt zuletzt, und aufgeben tun wir einen Brief. Wir unterstützen die Aktion "Rauchzeichen setzen" des Wiener Gastronomen Heinz Pollischansky. Der wird bald ein Zwischenergebnis abgeben. Es geistern so viele Listen herum, deswegen haben wir noch keine genaue Zahl. Es werden sicher über 100.000 Unterschriften sein. Deswegen geben wir nicht auf. Und wir haben auch die Freiheitlichen ins Boot bekommen.

Auch der nächste Fachverbands-Obmann in der Sparte Gastronomie, den wir bald wählen, wird Linie halten. Ich hoffe, dass auch der Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, hält, aber bin etwas skeptisch.

Wollen Sie es werden?

Nein, ich bin doch ein Roter (lacht). Ich war in der eigenen Partei schon 2007 mit der heutigen Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser wegen dem Rauchen im Clinch.

Warum so unflexibel?

Also, erst am 29. Jänner 2014 hat der Nationalrat in seiner großen Weisheit mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit das bisherige Gesetz repariert und wieder beschlossen. Ich weiß nicht, wie auf einmal zwei Drittel der Abgeordneten sagen können, dass sie was Falsches beschlossen haben. Es gibt ja eine freie Entscheidung im Parlament. Und ich bin auch froh, dass die Landeshauptleute Wilfried Haslauer in Salzburg und Michael Häupl in Wien öffentlich gesagt haben, dass sie für die freie Entscheidung in der Gastronomie sind, wenn es ums Rauchen geht.

Viele Lokale sind schon rauchfrei, andere haben dann kein Problem, wenn alle rauchfrei sind und es keine Ausweichmöglichkeiten mehr gibt.

Die größten Schwierigkeiten haben die kleine Lokale. Von denen bekomme ich noch immer dutzende Anrufe.



Die Tschocherln?

Genau. Und am Land sind es die kleine Dorfwirte. Auch dort wird es grimmig, wenn nach der Post und dem Greißler auch noch der Wirt verschwindet.

Warum sollte der Dorfwirt oder das Tschocherl eingehen?

Dort sind 90 Prozent und mehr Stammkunden. Von denen rauchen 95 Prozent. Den restlichen fünf Prozent ist der Rauch egal. Das sind Stammgäste, die drei Mal am Tag auf ein Seidl oder einen Kaffee vorbeikommen. Die Angst ist nun groß unter den Wirten, dass diese Gäste bei einem schlagartigen Rauchverbot die ersten Monate nicht mehr kommen. Dann haben sie bis zu 50 Prozent weniger Umsatz. Das halten die nicht aus, dazu ist die finanzielle Decke zu dünn.

Wie viele Tschocherln gibt’s?

Ungefähr 25 Prozent der 48.000 Gastrobetriebe sind Tschocherln. Von diesen 10.000 bis 15.000 Lokalen werden es, schätze ich, 7000 nicht überleben. Denn zuvor hat man ihnen schon die Spielautomaten weggenommen. Die haben drei bis vier Mitarbeiter. Das wären 20.000 zusätzliche Arbeitslose.

Hat ein Tschocherl eigentlich eine Registrierkasse?

Wenige. Und wenn, dann sind die aus dem Metro und entsprechen nicht den neuen Richtlinien.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Politik noch umschwenkt. Wie lange müsste eine Übergangsfrist für den Rückbau laufen?

Drei bis fünf Jahre. In der Zwischenzeit können wir über das Marketing die Leute überzeugen, wie schlecht das Rauchen ist und den Jugendschutz verbessern. Schon jetzt könnte man dafür ein Rauchverbot für unter 18-Jährige und ein Verbot des Tabakverkaufs beschließen. Das hab ich den Ministern ja bereits vorgeschlagen. Verbote dagegen sind immer reizvoll. Viel besser wirkt die Psychologie. Der Zugang zur Zigarette hat sich ohnedies schon gewandelt.

Ich hab’ ein Video gefunden, da hält ein Verwandter meine Tochter im Arm mit einer Zigarette im Mund. Das war damals ganz normal. Heute ist das undenkbar, da hätte niemand mehr eine "Tschick" in der "Go" und ein Kind am Arm. Das ist ein weltweites Umdenken. Auch bei uns und auch in der Gastronomie. In Speiselokalen gehen die Menschen längst raus. Das wird sich von alleine regeln. In den kleinen Lokalen kann es doch bitte weiterhin eine freie Entscheidung geben. Das ist besser als ein Verbot.

Aber wenn Sie selbst sagen, das hört sich auf, kann man es auch gleich verbieten.

Noch einmal: Es geht darum, dass die kleinen Lokale die nächsten Jahre bis zum Bewusstseinswandel überleben.

Es gab bereits Gespräche zwischen Gastro-Vertretern und Finanzministerium für die Zeit danach. Es geht um die steuerliche Entschädigung für die damalige Trennung in
Raucher- und Nichtraucherbereich. 100 Millionen wurden angeblich investiert. Wie laufen die Gespräche?

Das ist doch ein Taschenspielertrick, das hab ich den Sektionschefs gesagt. Für die damaligen Ausgaben gibt es wenige Rechnungen, das lief auch stark über die Hilfe durch Nachbarn und Freunde. Das weiß ich als gelernter Österreicher. Dieses Angebot nutzt ihnen also wenig. Also haben wir den Leuten vom Finanzministerium gesagt: Danke, nein.

Zur Person

Willy

Turecek

ist seit 1990 als Funktionär in der Wirtschaftskammer tätig, seit 2010 als Obmann der Sparte Gastronomie in Wien, wo er rund 5500 Betriebe vertritt. Turecek ist Obmann-Stellvertreter der Sparte Tourismus in Wien, betreibt ein Cateringunternehmen und ist als zertifizierter Gerichtssachverständiger für die Gastronomie tätig.