6. Urlaubswoche für alle nach 30 Jahren? Kompromiss über Sozialpartnerpaket in Griffweite.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Ostern naht. Das Thema Urlaub verbinden die Verhandler aus Wirtschaft und Gewerkschaft derzeit weniger mit dem friedlichen Ostereierpecken, sondern mit dem Hickhack um die 6. Urlaubswoche. Denn sie ist der letzte offene Punkt in einem Gesamtpaket, das die Sozialpartner fertigverhandeln und die Regierung beschließen will.
Aus Verhandlerkreisen ist nun zu hören, dass sich die Wirtschaftskammer deutlich bewegt hat. Sie lehnt den gesetzlichen Anspruch auf mehr Urlaub für Menschen im höheren Arbeitsalter nicht mehr kategorisch ab. Konkret will die Kammer die 6. Urlaubswoche ab dem 35. Arbeitsjahr gewähren - egal, wo der Anspruch erworben wurde. Die Arbeitnehmer sollen in einer Art Parallelrechnung optieren können, ob sie im alten System mit der 6. Woche nach 25 Jahren beim selben Arbeitgeber bleiben, oder ins betriebsunabhängige, neue System mit 35 Jahren wechseln. Außerdem ist zu hören, dass die Kammer das heikle Thema aus dem Arbeitsrecht-Paket rausnehmen will, um es zusammen mit Maßnahmen für ältere Beschäftigte zu verhandeln. Damit hofft die Kammer wohl, es den eigenen Mitgliedern besser verkaufen zu können. Die Betriebe fürchten nämlich erhebliche Mehrkosten durch die Urlaubsausweitung.
Paketdienste
Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Rehabilitation und Fitness für ältere Mitarbeiter würde der Blick stärker darauf gelenkt werden, worum es den Befürwortern der 6. Urlaubswoche geht: Wenn die Menschen bis ins höhere Alter arbeiten, brauchen sie später auch längere Regenerationsphasen.
Diese Meinung vertritt die Gewerkschaft, die bei ihrer Forderung der 6. Woche nach 25 Jahren bleibt, allerdings mit einer Einschleifregelung. Nach ihrem Modell müssten Arbeitnehmer nach der Gesetzesänderung ein Jahr durchgehend bei einem Betrieb gearbeitet haben. Dann würden ihnen - sofern sie diese schon in anderen Betrieben geleistet haben - 24 Jahre an Vordienstzeiten angerechnet. Es würden aber nicht sofort fünf weitere Werktage Urlaub anfallen, sondern im ersten Jahr ein zusätzlicher Tag, im zweiten Jahr ein zweiter usw.
Vom Aufschnüren des Paketes und der Umetikettierung der 6. Urlaubswoche in das neue Alterspaket, wie es sich die Kammer wünscht, will die Gewerkschaft dem Vernehmen nach nichts wissen. Sie folgt der Losung, die auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer im Interview mit der "Wiener Zeitung" ausgegeben hat: "Entweder alles im Paket oder nichts."
Zum Vorschlag des Mehrurlaubs nach 35 Jahren heißt es aus Verhandlerkreisen: "Das ist meilenweit weg von der Realität." Denn das würde vor allem Frauen mit Lücken in der Berufslaufbahn benachteiligen, die sich beim Urlaubsammeln schwertun.
Kostspieliger Urlaub
Doch auf die Frage, ob ein Kompromiss möglich ist, heißt es wiederum: "Sonst würden wir nicht verhandeln." Ein augenfälliger Kompromiss wäre die 6. Woche nach 30 Jahren. Das könnte man über eine rigidere Anrechnung der Vordienstzeiten steuern.
Die Kammer will die Kosten der 6. Urlaubswoche so gering wie möglich halten. Denn im
Unterschied zur Arbeiterkammer wählt die Wirtschaftskammer erst nächstes Jahr. Die Gewerkschaft hält veranschlagten Urlaubskosten in Millionenhöhe für die Betriebe aber für ohnedies deutlich zu hoch veranschlagt.
Sollten sich die Sozialpartner und die Regierung auf das Paket einigen, werden wohl die Neos die Einzigen sein, die im Nationalrat dagegenstimmen. "Eine zusätzliche Urlaubswoche führt zu einer weiteren Verteuerung von älteren Arbeitnehmern. Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersarbeitslosigkeit werden verpuffen", warnt Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Der Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche nach 25 Jahren würde es schwieriger und vor allem teurer machen, ältere arbeitslose Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt wieder zu integrieren.
*****
Wissen
*****
Verhandelt werden 6 Punkte aus Kapitel 1 des Regierungsprogramms. Die umstrittensten sind der 12-Stunden-Tag und die 6. Urlaubswoche. Der 12-Stunden-Tag bedeutet nur, dass die Wochenarbeitszeit von höchstens 50 Stunden bei Gleitzeit oder Dienstreisen flexibler verteilt werden kann. Das heißt, es können größere Freizeitblöcke auf einen langen Arbeitstag folgen. Überstunden fallen ganz normal an. Mit einer generellen Verlängerung der Arbeitszeit, wie es fälschlicherweise in der Öffentlichkeit ankam, hat das nichts zu tun, sonst hätte die Gewerkschaft dem Goodie für die Wirtschaft kaum zugestimmt.
Die 6. Urlaubswoche wünscht sich die Gewerkschaft sehnlichst. Ähnlich wie bei der Abfertigung sollen Urlaubsansprüche von Dienstgeber zu Dienstgeber im Rucksack mitgenommen werden können. Nach 25 Jahren soll es dann eine 6. Urlaubswoche für alle geben. Derzeit haben nur jene Anspruch darauf, die durchgehend im selben Betrieb waren. Im Regierungsprogramm ist von der 6. Urlaubswoche gar nicht die Rede, sondern von "Anrechnung von Vordienstzeiten für erhöhten Urlaubsanspruch". Ab wann wie viel angerechnet wird, ist noch Verhandlungssache. Sollte sich die Wirtschaft beim Urlaub zu wenig bewegen, dürfte der 12-Stunden-Tag wieder wackeln. Der ist bei Gewerkschaftern umstritten. Fertig außerdem: Mehr Klarheit über das Grundgehalt und abgegoltene Mehrarbeit bei All-in-Verträgen, die Erleichterung von Arbeitszeitaufzeichnungen sowie eine Verschärfung der Regeln gegen Lohn- und Sozialdumping.