Der lettische Ex-Präsident Valdis Zatlers reitet auf einer Erfolgswelle – obwohl das Parlament ihn nicht bestätigt hat. Doch die nächste Wahl ist in Sichtweite.
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Auch das Rote Kreuz ist schon involviert. Alles andere als freiwillig fand sich die Organisation im lettischen Wahlkampf wieder. In einem Wahlkampf, der noch gar nicht richtig begonnen hat, weil das Datum für den Urnengang erst seit wenigen Tagen feststeht. Doch auf einmal ging alles recht schnell in Lettland. Und es erfolgte in einer beispiellosen Form.
Denn die Bevölkerung hat das Parlament in Riga mehr oder minder gefeuert. Der – mittlerweile ehemalige – Staatspräsident hat dies veranlasst und gründete nun eine eigene Partei, mit der er bei der kommenden Wahl antreten wird. Als Logo hat sich die neue Gruppierung ein rotes Kreuz auserwählt, mit einem eingezeichneten Pfeil. Den "Notfall Lettland" heißt es zu beheben, lautet die Botschaft. Gegen die Verwendung des Symbols protestierte eben das lettische Rote Kreuz: Die Partei missbrauche ein international geschütztes Logo.
Wie es überhaupt zu der vorgezogenen Parlamentswahl kommt, ist eine Premiere für Lettland – und wäre auch in den meisten anderen europäischen Staaten ungewöhnlich. Gerade einmal neun Monate nach der letzten Wahl gab es vor wenigen Tagen ein Referendum über die Auflösung des Abgeordnetenhauses. Und nur knapp fünf Prozent haben dagegen votiert. Das Argument, dass nicht einmal jeder Zweite seine Stimme abgegeben hat, verliert an Gewicht, wenn die Beteiligung mit jener an der Wahl im Vorjahr verglichen wird. Sie ist damals nicht viel höher gewesen.
Das Referendum wiederum geht auf eine Initiative des damaligen Präsidenten Valdis Zatlers zurück, der sich damit wohl um seine Wiederwahl im Parlament gebracht hat. Das Abgeordnetenhaus votierte vor einigen Wochen für Andris Berzins als Staatschef. Dennoch steht Zatlers nicht als Verlierer da. Zum einen stimmte eine überwältigende Mehrheit für seinen Vorschlag zur Auflösung des Parlaments. Zum anderen hat seine Partei Chancen auf ein gutes Wahlergebnis am 17. September.
Das Thema, mit dem Zatlers wohl in die Kampagne ziehen wird, wird nämlich so mancher Lette unterstützen: Kampf gegen die Korruption und den Einfluss mehrerer Oligarchen auf die Politik. Das Parlament hatte zu wenig dafür getan, befand Zatlers und initiierte das Referendum. Zuvor hatte die Mehrheit der Abgeordneten gegen die Aufhebung der Immunität eines Kollegen gestimmt, dem die Staatsanwaltschaft korrupte Geschäfte und Bestechung vorwirft.
Jedoch ist fraglich, wie effizient das Vorgehen gegen die Netzwerke ausfallen kann. Weit verzweigt sind nämlich die Verstrickungen zwischen den lettischen Millionären und der Politik. Drei Oligarchen stützen – größtenteils rechtskonservative – Parteien; der neue Präsident selbst gilt als einer der reichsten Männer im Land. Der Multimillionär Ainars Slesers, jener Abgeordnete, den die Staatsanwaltschaft nur allzu gern zu seinen Geschäften befragen würde, war früher Verkehrsminister und Vizepremier. Die staatliche Antikorruptionsbehörde war vor wenigen Monaten vor dem Aus gestanden, unter anderem wegen eines Skandals rund um möglicherweise illegale Lauschangriffe auf Politiker.
Bei der kommenden Wahl aber hätten die Letten die Möglichkeit, jene Parteien einzuschränken, die in erster Linie die Interessen der Oligarchen vertreten, fand Premier Valdis Dombrovskis. Im Ministerpräsidenten, der eine Mitte-Rechts-Regierung anführt, hatte Zatlers einen Verbündeten bei der Forderung nach einem Ende des "Polit-Business". Dombrovskis war Wahlsieger beim Urnengang im Oktober. Für die Wahl im September stehen auch seine Chancen nicht schlecht.