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Im Warteraum zur Endbesteuerung

Von Alfred Abel

Wirtschaft

G 278/01 war eigentlich nicht wirklich eine Überraschung. Nachdem die hohen Richter im Verfassungsgericht an die 33 Monate lang über dem Problem gebrütet hatten, erfüllten sie die Erwartungen der Beschwerdeführer und vieler Experten. Im Einkommensteuergesetz wurden zwei Ziffern und vier Buchstaben als verfassungswidrig erkannt. Die "Wiener Zeitung" hat bereits darüber berichtet; jetzt liegt das Erkenntnis des VfGH im Wortlaut vor.


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Auslöser des Langzeit-Streitfalls ist das Endbesteuerungsgesetz, das allen Investoren vor allem für Rentenpapiere eine steuerliche Wohltat beschert: durch den festen Kapitalertragsteuer-Abzug von 25% sind die Kuponerträge von der progressiven Einkommensteuer entlastet; außerdem sind die bezüglichen Kapitalien erbschaftssteuerfrei.

Die im Einkommensteuergesetz solcherart als begünstigt umschriebenen Kapitalerträge sind jene

1. aus Forderungswertpapieren in ATS (bzw. Euro),

2. aus Forderungswertpapieren in anderer Währung,

3. aus Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen sowie

4. aus inländischen Investmentfonds.

Voraussetzung für die freundliche Endbesteuerung: die bezüglichen Kapitalerträge müssen im Inland bezogen, praktisch also von einer inländischen kuponauszahlenden Stelle ausbezahlt werden, die auch gleich den Kapitalertragsteuer-Abzug vornehmen muss.

Werden die Auslandsfonds steuerlich diskriminiert?

Die obige Aufzählung der Ziffern 1. bis 4. ist allerdings nicht vollständig, denn im Gesetz gibt es noch eine Ziffer 5, der eine weniger freundliche Behandlung zuteil wird.

Diese Gesetzesstelle bezieht sich auf die Erträge aus ausländischen Investmentfonds, die gemäß Stammfassung des Gesetzes ursprünglich auch an den Segnungen der Endbesteuerung teilhaben durften. Durch das Steuerreformgesetz von 1994 wurde der Segen freilich abgeschafft; mehr noch: ab 2001 wurde diesen Anteilscheinen unter bestimmten Voraussetzungen sogar noch eine zusätzliche Substanzgewinnbesteuerung aufgepelzt. Was dazu führte, dass diese Erträge seither in einer Einkommensteuererklärung darzustellen sind und damit einer Steuerbelastung von bis zu 50% unterliegen können. Eine Erbschaftssteuerbefreiung gibt es für die Anteile auch nicht.

Sind ausländische Investmentfonds steuerlich schlechter zu stellen als vergleichbare inländische? Die Bundesregierung bejaht das. Nach Meinung der Fiskallegisten sei nämlich die Basis für einen ordnungsgemäßen KeSt-Abzug bei ausländischen Investmentfonds nicht gesichert; außerdem fehle es bei diesen Erträgen üblicherweise bei einer im Inland gelegenen Kuponzahlstelle.

Was unterliegt der Endbesteuerung und was nicht?

Das sehen die Verfassungsrichter anders, und in dem soeben veröffentlichten, lesenswerten Judikat G 278/01 vom 7. März 2002 begründen sie ihre Meinung ausführlich.

Der Ausschluss der ausländischen Fondserträge sei durch das Endbesteuerungsgesetz nicht gedeckt, und wenn es tatsächlich im Einzelfall keine Inlandszahlstelle gebe, dann gebe es ja auch keinen KESt-Abzug und kein Problem, ob Endbesteuerung vorliege oder eben nicht. So einfach sei das. Man müsse auf die gesetzliche Stammfassung zurückgreifen, heißt es im Erkenntnis des Höchstgerichtes weiter; nach der Absicht des damaligen Gesetzgebers seien auch die Erträge aus ausländischen Fonds durch KESt-Abzug endbesteuerungsfähig. Dass man durch ein Steuerreformgesetz diesen Grundgedanken ab 1994 wieder verworfen habe, sei eigentlich ein Eingriff in die Bestimmungen des Endbesteuerungsgesetzes gewesen, der zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Fondserträgnisse geführt habe.

Die oben dargestellte Einschränkung auf die Kapitalien der Ziffern 1 bis 4 und der Ausschluss der Ziffer 5 seien demnach verfassungswidrig. Die Reparatur des Gesetzes in diesem Sinn sieht das Höchstgericht einfach: der kleine Einschränkungshinweis "Z. 1 bis 4" (in § 97 Abs. 1 EStG) wird aus dem Gesetz einfach eliminiert. Dadurch wird die Endbesteuerungsmöglichkeit des § 97 für alle bezüglichen Kapitalien geöffnet, also auch für die ausländischen Fonds nach Ziffer 5 - und die Situation ist bereinigt.

Rechtslage bleibt bis März 2003 unverändert

Freilich will das Höchstgericht auf diese Weise nicht unbe-schränkte Schleusen öffnen. "Der Gerichtshof verschließt sich allerdings nicht dem Argument der Bundesregierung, dass mit der Aufhebung dieses Satzteiles ("Z. 1 bis 4") möglicherweise im Bereich ausländischer Kapitalanlagefonds Kapitalerträge von der Abgeltungswirkung erfasst werden, die nach der dem Endbesteuerungsgesetz zugrundeliegenden Konzeption oder aus (anderen) steuerpolitischen Erwägungen von diesem nicht erfasst werden sollten!" Und er gibt den Legisten bis Ende März 2003 Zeit, sich eine geeignete Neufassung des Gesetzes auszudenken und dabei auch EU-Gemeinschaftsrecht mitzuberücksichtigen. In der Zwischenzeit könnten auch die Meinungsverschiedenheiten unter den Steuerexperten geklärt werden. Ein Teil der Fachleute meint, dass sich die neue (künftige) Endbesteuerung bloß auf Auslandsfonds mit Rentenpapieren bezieht; andere wieder wollen die neuen Hoffnungen grundsätzlich für alle ausländischen Fondserträge gelten lassen. Bei der Finanz geben sie sich bedeckt: "Der Minister muss ans Nulldefizit denken".