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Die Idee zur Schließung der Flüchtlingsroute über das Mittelmeer findet in der EU wenig Sympathie.
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Luxemburg/Wien. Sebastian Kurz hat ein Déjà-vu. Der österreichische Außenminister fühlt sich an die Debatten erinnert, die der Schließung der Balkan-Route vorangingen. Auch damals, vor eineinhalb Jahren, habe es rechtliche Bedenken gegeben, habe es geheißen: "Das geht nicht", stellte Kurz fest. Doch dann sei es doch gegangen, betonte er am Rande eines Treffens mit seinen Amtskollegen in Luxemburg.
Nun will der Politiker weitere Hürden für Migranten errichtet sehen. Er möchte die Route über das Mittelmeer schließen. Diese Position sei auch mit dem Innen- und dem Verteidigungsminister abgestimmt.
Eine andere Haltung nimmt jedoch Bundeskanzler Christian Kern ein. Hatte er in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten am Wochenende von einem "politischen Vollholler" gesprochen, bekräftigte er am Montag seine Kritik am Vorschlag des Außenministers. Das "Produzieren von Schlagzeilen" werde das Flüchtlingsproblem nicht lösen, befand Kern.
Kurz blieb trotzdem dabei. Wer sich illegal über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa mache, dürfe nicht automatisch dorthin gelangen, argumentierte er in Luxemburg. Das würde nur das Geschäft der Schlepper ankurbeln und dazu führen, dass noch mehr Menschen bei der Überfahrt sterben. Daher müssten Migranten "gestoppt, versorgt und zurückgestellt" werden, sagte der Minister.
Die Idee, Auffanglager außerhalb Europas einzurichten, ist dabei nicht neu. In den Debatten um die Aufnahme von Flüchtlingen kommt sie immer wieder auf. Doch ist der Bau von Zentren beispielsweise in Libyen höchst umstritten. Die politische Situation dort ist alles andere als stabil, in den existierenden Flüchtlingslagern hätten Menschenschlepper das Sagen, seien Vergewaltigungen und Totschlag an der Tagesordnung. Auf all das wies der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hin. Daher könnten Schutzsuchende nicht in den nordafrikanischen Staat zurückgebracht werden. Generell dürfen Flüchtlinge nur in ein sicheres Drittland abgeschoben werden.
Das macht auch den Unterschied zu den Balkan-Staaten aus. Die Kooperation mit den dortigen Behörden sowie im Vergleich zu Libyen stabile politische Verhältnisse waren eine Voraussetzung für die Schließung der Flüchtlingsroute. Kurze Zeit später trat noch dazu ein Abkommen der EU mit der Türkei in Kraft, mit dem sich die Türken zu einem verstärkten Grenzschutz verpflichtet haben. Die Zahl der Menschen, die von dort aus auf die griechischen Inseln gelangen, ist danach tatsächlich stark gesunken. In Italien jedoch kommen wieder mehr Schutzsuchende an. Seit Jahresbeginn waren es an die 70.000 Menschen. Die Hauptherkunftsländer waren Nigeria, Bangladesch, Cote d’Ivoire und Gambia.
Unsichere Staaten
Nur wenige dieser Staaten gelten als sicher - und selbst das stuft jedes EU-Land für sich ein. Denn eine EU-weite Liste für sichere Herkunftsländer gibt es noch nicht. Es existieren nur nationale Aufstellungen. Während etwa in Österreich die Westbalkan-Staaten sowie Kanada, Australien und Neuseeland darin aufscheinen, sieht Großbritannien auch Liberia, Sierra Leone und Gambia als sicher an - mit der Einschränkung, dass das für Männer gilt.
Daher setzt die EU auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit einigen Staaten, vor allem in Afrika. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verwies auch schon auf erste Erfolge. So seien im Mai des Vorjahres 70.000 Flüchtlinge über Niger nach Libyen gekommen. Heuer im Mai waren es hingegen nur noch 5000 Menschen - was nicht zuletzt der guten Kooperation mit den Behörden in Niger zu verdanken sei. Von Libyen aus habe es außerdem heuer 4500 Rückführungen in Herkunftsländer gegeben, berichtete Mogherini. Das sei doppelt so viel wie im Vorjahr. An dem Programm der freiwilligen Rückkehr, das von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) umgesetzt wird, sollen heuer bis zu 10.000 Menschen teilnehmen.
Denn nicht alle Migranten, die nach Libyen gelangen, wollen sich auf den Weg nach Europa machen, wird in der Organisation betont. Daher gibt es dort auch Misstrauen gegenüber den Spekulationen, dass schon jetzt hunderttausende Menschen - Kurz sprach sogar von einer Million - darauf warten, in die EU zu gelangen. Solche Schätzungen ließen sich nämlich kaum beurteilen, sagen die IOM-Experten.