Zum Hauptinhalt springen

Im Wind-Kanal der Kritik

Von Reinhard Göweil

Politik
© Rösner

Stadtrechnungshof stellt Wien Holding kein so gutes Zeugnis aus - dafür suchte die Gemeinde Wien 32,45 Millionen Euro, von denen niemand weiß, woher sie stammen könnten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Wiener SP war schon einmal in besserer Verfassung, auch personell gibt es ja - wie berichtet - Debatten. Gestern veröffentlichte der Wiener Stadtrechnungshof mehrere Berichte, die die Laune bei Bürgermeister Häupl nicht gerade heben werden. In zwei davon geht es um die Wien Holding und um ihre Tochtergesellschaft, die Wiener Standortentwicklung GmbH. (WSE). Dort handelt es sich um Verluste.

Und im dritten Bericht "fand" der Stadtrechnungshof in der MA5, dem zu Stadträtin Renate Brauner gehörenden Finanzwesen, in der Kassa 32,45 Millionen Euro - trotz mehrjähriger Suche kann das Geld laut Rechnungshof nicht zugeordnet werden.

Doch der Reihe nach. 2013 nahm die Wien Holding zur Finanzierung ihres hohen Investitionsvolumens zwei zehnjährige Anleihen in Höhe von insgesamt 180 Millionen Euro auf, 30 davon als Namensschuldverschreibungen. Da das Geld nicht so schnell ausgegeben werden konnte, wurden 75 Millionen Euro veranlagt.

Der Stadtrechnungshof rechnete nun aus, dass dies kein besonders gutes Geschäft gewesen ist. Denn für ihre Anleihen zahlt die Wien Holding drei Prozent Zinsen. Die gemeindeeigene Wien Holding, zu der unter anderem der Wiener Hafen, die Vereinigten Bühnen und umfangreiche Immobilien gehören (sowie die Verwaltung des Bauträgers Gesiba), verteilte die Veranlagung in Unternehmensanleihen auf, allerdings zu deutlich niedrigeren Zinsen.

"Dadurch erwuchsen der Wien Holding GmbH im Prüfungszeitraum 2013, 2014 und erstes Halbjahr 2015 Aufwendungen aus Zinsdifferenzen in der Gesamthöhe von 5,97 Millionen Euro", schreibt der Stadtrechnungshof in seinem aktuellen Bericht.

Bei einer Veranlagung kam es zu einer Pleite, dem Vernehmen nach handelte es sich dabei um den Fleischverarbeiter Schirnhofer. Dem Unternehmen wurde eine Million Euro gestundet. "Das wird bedient und wir haben damit geholfen, das Unternehmen und viele Mitarbeiter zu retten", ist inoffiziell zu hören. Schirnhofer kam durch die Zielpunkt-Pleite 2015 ins Schlingern.

Offiziell sagt die Wien Holding zum Bericht, dass "dies damals das Zins-Umfeld gewesen ist. Rückwirkend ist man immer klüger." Man brauchte damals zudem einen Kapitalpolster, auch wegen der unsicheren Konjunkturlage.

Es bleibt jedenfalls das Faktum, dass die Wien Holding damals mit drei Prozent aufgenommenes Geld zu deutlich niedrigeren Zinssätzen wieder veranlagte. Die Schuldverschreibung einer Bank brachte 1,2 Prozent jährlich, sie legte dafür extra für die Wien Holding ein solches Papier auf. Ob es sich dabei um dieselbe Bank handelte, die die Holding-Anleihe platzierte, geht aus dem Bericht nicht hervor.

WSE 27,91 Millionen Verlust

Strenger ins Gericht gehen die Kontrollore mit der WSE, einer Tochter der Wien Holding. Der Immobilien-Entwickler hat demnach 2010 bis 2014 einen kumulierten Verlust von 27,91 Millionen Euro erlitten. Dass dieser doch beträchtliche Verlustbetrag weitgehend unbemerkt blieb, liegt laut Rechnungshof an der Tatsache, dass es "keine gesamtheitliche Betrachtung über die Entwicklung der WSE-Gruppe gab".

Die WSE zerfällt in eine Vielzahl von einzelnen Gesellschaften, da praktisch jedes Immobilienprojekt eine eigene GmbH ist, es aber keine konsolidierte Bilanz gab. Die Verluste wurden aus den Rücklagen bedeckt, man lebte also von der Substanz. Und die kam von der Gemeinde Wien, da es in der Vergangenheit zu "Sachdotationen" gekommen war, die unentgeltliche Übertragung von Liegenschaften aus Gemeindebesitz in die WSE. Das ist mittlerweile Geschichte.

An der Geschichte der WSE zeigte sich, dass in der Gemeinde Wien in den vergangenen Jahren niemand so recht wusste, wie mit dem riesigen Immobilien-Bestand der Stadt umzugehen sei. Die ursprüngliche WSE-Aufgabe, Gewerbe-, Technologie- und Gründerzentren zu entwickeln, wurde von der Wirtschaftsagentur übernommen, die ebenfalls der Gemeinde Wien gehört. Der Stadtrechnungshof stellte auch fest, dass "die Wien Holding (obwohl sie die Muttergesellschaft ist, Anm.) gleichartige Strukturen aufbaute".

Und: "Überschneidungen gab es auch mit der Stadtwerke Holding, Fonds für Wohnbau und Technologie-Cluster." All diese Unternehmungen haben eines gemeinsam: Sie gehören allesamt der Gemeinde Wien.

Angesichts des organisatorischen Wildwuchses sprach der Stadtrechnungshof sieben Empfehlungen aus, der die Wien Holding bzw. die WSE allesamt "nachkommen" will.

Ein gänzlich anderes Problem hatte der Stadtrechnungshof mit der Magistratsabteilung 5, die zu Finanzstadträtin Renate Brauner gehört. Dort untersuchten die Prüfer die Geldströme der Gemeinde zu den Unternehmen der Gemeinde Wien. Und es tauchten 32,45 Millionen Euro auf, deren Grundgeschäft im Dunkeln blieb.

Drei Jahre Suche

Drei Jahre lang suchten Beamte und Prüfer. Die Vermutung, dass es sich dabei um Einnahmen aus einem Leasing-Geschäft von Wien-Kanal handelt, verwarfen die Prüfer nach Durchsicht aller Bilanz- und Kontobewegungen. Man wisse es nicht, so der Stadtrechnungshof. Aus dem unvermuteten Geldsegen wird aber nix, wie es ausschaut. Aus dem Büro von Renate Brauner verlautete, dass es sich dabei um eine Fehlbuchung handelt, das Geld in Wahrheit gar nicht vorhanden sei. Der bedauerliche Buchungsfehler sei mittlerweile korrigiert. Offen bleibt die Frage, woher der gebuchte Betrag eigentlich stammt. Aus den Kanal-Geschäften jedenfalls nicht, darauf beharrt der Stadt-Rechnungshof.